Einbahnstraße in den Tod

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
The Hanged Man
Kategorie
Post Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1964
Darsteller

Edmond O’Brien, Vera Miles, Robert Culp, J. Carrol Naish, Gene Raymond

Regie
Don Siegel
Farbe
Farbe
Laufzeit
95 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 

An einem heißen Tag erreicht der Auftragskiller Harry Pace (Robert Culp) mit dem Zug die nahe New Orleans gelegene Kleinstadt Jason City. Aus dem Bahnhofsgebäude tretend wird er von einem Herrn zur Jason City Ice Delivery gewiesen. Er bedankt sich, passiert das Wrack eines ausgebrannten Cabriolets, fragt einen auf der Verladerampe tätigen Arbeiter nach Whitey Devlin (Gene Raymond) und jener bittet ihn ins Innere der Fabrik. Seinen Koffer lässt Pace am Eingang stehen und folgt dem Mann zu einem Eisblock, darin Devlins Leiche liegt, durch die Explosion des vor der Rampe stehenden Wagens bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Pace ist betroffen, seinen besten Freund unter solchen Umständen wiederzusehen. Er lässt sich den Hergang der Explosion in der vergangenen Nacht kurz beschreiben und kehrt zum Bahnhof zurück. In der winzigen Schalterhalle zieht er sein Jackett aus und prüft, wer noch im Raum ist: Ein Ehepaar liest etwas in einem Magazin, ein Mann (Norman Fell)  in Anzug und Hut sitzt auf einer Bank und ist in die Tageszeitung vertieft. Während er vorgibt, sich am Fenster zu kühlen, greift Pace sich einen an den Boden des an die Wand montierten Feuerlöschers geklebten Schlüssel für eins der Schließfächer. Dann öffnet er das selbige und entnimmt aus dem darin befindlichen Briefumschlag einen von Arnold Seeger (Edmond O’Brien) unterzeichneten Scheck über 50.000 US-Dollar. Mit nur einer Hand faltet er ihn und steckt ihn samt der ebenso im Schließfach liegenden Pistole in die Innentasche seines Jacketts…

 

“You remember what the Hitler tactic was? Invent the big lie. Then keep repeating it over and over, until otherwise decent people begin saying: Where there’s smoke, there’s fire.” Don Siegels zweiter Fernsehfilm des Jahres 1964, sein erster war der deutlich populärere Der Tod eines Killers (USA 1964), ist eine erstaunliche Entdeckung. War letzterer das Remake von Robert Siodmaks Rächer der Unterwelt / Die Killer (USA 1946), basierend auf Ernest Hemingways Kurzgeschichte The Killers (EA 1927), ist Einbahnstraße in den Tod dasjenige von Robert Montgomerys Ride The Pink Horse (USA 1947), eine Adaption von Dorothy B. Hughes gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1946. Dass dem Gewerkschaftsführer Arnold Seeger zugeschriebene Zitat mit Bezug auf Adolf Hitler gibt es in Montgomerys Film nicht, zählt aber zu den bemerkenswerten Details, die Siegels Post Noir ausmachen. Ein weiteres ist, soweit man das als Detail gelten lassen will, Bud Thackerys (Johnny Midnight, USA 1960) exzellente Kameraarbeit. 15 Jahre lang bannte er für Republic Pictures haufenweise B-Produktionen auf Zelluloid, bevor er ab 1957 für weitere 20 Jahre zum Fernsehen wechselte. An Originalschauplätzen in und um New Orleans gefilmt, erweist sich der Film als atmosphärisch dicht. Zudem gibt es gleich zweifach einen Auftritt von Jazzsaxophonist Stan Getz mit der brasilianischen Sängerin Astrud Gilberto, insofern Getz und ihr Mann João Gilberto im Jahr 1964 ihr legendäres, Getz/Gilberto betiteltes Album vorlegten, darauf der Welthit The Girl from Ipanema zu hören ist. Im Übrigen ist das Casting zu Teilen exquisit: Vera Miles ist mindestens so ausdrucksstark wie Andrea King in Robert Montgomerys Ride The Pink Horse (USA 1947). Darin war Wanda Hendrix exzellent, die ich daher für unersetzbar hielt. Das stimmt aber nicht, denn die völlig unbekannte Fernsehdarstellerin Brenda Scott ist als minderjährige Celine, welche Harry Pace in New Orleans zu überleben hilft, ihrerseits wunderbar. Auch Norman Fell tritt als FBI-Ermittler Gaylord Grebb souverän an die Stelle von Art Smith, der einst als Bill Retz diese Rolle ausfüllte.

 

Leider gibt es im Zentrum des Werks jedoch Schwachstellen, die Don Siegels Neuverfilmung des Romans von Dorothy B. Hughes im Vergleich zu Montgomerys Adaption herabsetzen. Das beginnt mit Robert Culp, der an dritter Stelle genannt ist, als Gangster Harry Pace aber die Hauptrolle innehat. Siegel kam mit dem Schauspieler, der extrem missgelaunt und lethargisch agiert, nicht zurecht, bezeichnete ihn im Nachgang schlicht als arrogant. Auch wird J. Carol Naish als der dem französischen Teil der Bevölkerung New Orleans‘ zugehörige Picaud, Onkel von Celine, deutlich weniger zugebilligt als dem grandiosen Thomas Gomez als Pancho. Siegels Film spielt in New Orleans, Montgomerys Werk in der mexikanischen Grenzstadt San Pablo. Die Mardi-Gras-Parade, zentraler Bestandteil der Inszenierung, erweist sich dem Festival in Ride The Pink Horse (USA 1947) als ebenbürtig. Alles in allem ist es kein schlechter Film, doch seine träge Dramaturgie und Culps stoische Coolness, die bloß unsympathisch wirkt, mindern den Genuss. Don Siegels Der Tod eines Killers (USA 1964) wurde für eine Ausstrahlung im Fernsehen als zu gewalttätig erachtet und hatte im Juli 1964 seine Premiere im Kino. Einbahnstraße in den Tod wurde im November 1964 via National Broadcast System (NBC) ausgestrahlt und lief danach international auch im Kino. Das Werk gilt nach David Lowells Richs See How They Run (USA 1964) als der zweite eigens für eine Ausstrahlung im Fernsehen produzierte Film der USA und ist im Werkskanon Don Siegels sicher dessen obskurstes Werk.

 

Bis heute (2025) gibt es von Einbahnstraße in den Tod  keine BD oder DVD-Edition, der lediglich in einigen Online-Portalen als ein Fernseh- bzw. Videomitschnitt zur Verfügung steht, ungekürzt und im Originalformat, allerdings nur in einer Fassung von bescheidener Bild- und Tonqualität und natürlich ohne Untertitel.

 


 

Post Noir | 1964 | USA | Don Siegel | Dorothy B. Hughes | Edmond O'Brien | J. Carrol Naish | Norman Fell | Robert Culp | Seymour Cassel | Vera Miles

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