Blind Spot

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Blind Spot
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1947
Darsteller

Chester Morris, Constance Dowling, Steven Geray, Sid Tomack, James Bell

Regie
Robert Gordon
Farbe
s/w
Laufzeit
73 min
Bildformat
Vollbild

 


 

© Columbia Pictures Corporation

New York: Schriftsteller Jeffrey Andrews (Chester Morris) hat mehrere Romane veröffentlicht, ist aber ebenso arm wie hoffnungslos. In seinem Kellerloch von Wohnung, unrasiert und meist betrunken, stellt er fest, dass er keinen Cent mehr in der Börse hat. Also trinkt er allen Rest Bourbon aus der Flasche und begibt sich zu seinem Verlag, wo er Inhaber und Geschäftsführer Henry Small (William Forrest) zu treffen hofft, der ihn mit einem Knebelvertrag kurzhält. Als er in dessen im 32. Stockwerk befindlichen Büroräumen ankommt, sieht er im Vorzimmer die neue Sekretärin Evelyn Green (Constance Dowling) hinter ihrem Schreibtisch. Sie versucht dem Trunkenbold klarzumachen, dass Small ohne Terminvereinbarung nicht zu sprechen sei und dass er heute sicher nicht mehr zu ihm vorgelassen werde. Doch Andrews interessiert das nicht und er wankt schnurstracks in Smalls Büro, wo jener mit Lloyd Harrison (Steven Geray) offensichtlich über Golf philosophiert, haben doch beide einen Golfschläger zur Hand. Henry Small ist über Andrews‘ Eindringen wenig amüsiert und verweigert ihm ein Darlehen auf zukünftige Projekte. Stattdessen weist er darauf hin, dass die Kriminalromane des anwesenden Kollegen Harrison sich weit besser verkauften und er daher deutlich mehr Honorar erhalte. Andrews äußert sich erstmal despektierlich über Trivialliteratur, was Lloyd Harrison nicht weiter stört. Dann kündigt er an, ihnen das Konzept für einen Krimi präsentieren zu wollen, über einen Mord in einem von Innen verschlossenen Zimmer…

 

Im Rahmen seiner via Turner Classic Movies (TCM) lancierten Fernsehsendung Noir Alley stellte Eddie Muller, Gründer und Präsident der Film Noir Foundation, San Francisco, im November 2025 diese B-Produktion der Columbia Pictures Corporation vor. In den letzten 25 Jahren wurden in den USA reihenweise obskure Werke der Filmhistorie wiederentdeckt und aufwendig restauriert, bevor sie einem zeitgenössischen Publikum in ansprechenden Blu-ray- oder DVD-Editionen zugänglich gemacht wurden. Viele von ihnen erstrahlten dank Eddie Mullers und seiner Mitstreiter Engagement erstmals wieder im alten Glanz. Robert Gordons Blind Spot blieb lange Zeit vergessen, obwohl er alle Anforderungen, die Cineasten an einen Film Noir stellen, geradezu exemplarisch erfüllt. So gibt es einen Erzähler aus dem Off, einen aus der bildungsbürgerlichen Mitte an den gesellschaftlichen Rand gedrängten Protagonisten, der unter Mordverdacht gerät, und zu guter Letzt auch eine Femme fatale. Die Handlung spielt großteils bei Nacht, und ruckzuck ist Jeffrey Andrews, der Freund und Feind längst nicht zu unterscheiden weiß, vor seinen Häschern auf der Flucht… Das ist Film Noir par excellence. Nur füllt die Geschichte solchen Rahmen nicht mit Leben. Der Mordfall und die Motivation für solches Delikt, die Beziehung der hübschen Femme fatale zum unrasierten, verschwitzten, lallenden Suffkopf, die Nebenfiguren und ihr Wissen oder Nichtwissen – all das fügt sich mehr schlecht als recht, und die Geschichte knirscht in ihrer Entwicklung mehr als nur einmal. So ist für den erfahrenen Connaisseur der Filmklassik womöglich nett, in Blind Spot die typischen Film-Noir-Elemente zu erspähen, welche solchen B-Film auf ein solides Fundament heben. Einem Laien oder Neuling würde ich das Werk aber nie und nimmer empfehlen. Ein solcher würde in Blind Spot nichts als jene alberne Posse erkennen, die der Film de facto auch ist.

 

© Columbia Pictures Corporation

Ebenso wie Richard Dix war Chester Morris ein Hollywood-Schauspieler, der während der 30er Jahre auf der Höhe seiner Popularität, Mitte der 40er aber längst auf dem absteigenden Ast war. Richard Dix übernahm ab 1944 die Hauptrolle in den gleichfalls via Columbia Pictures Corporation initiierten Verfilmungen von Rundfunkhörspielen der Serie The Whistler (USA 1944-1948). Chester Morris spielte in insgesamt 14 Kinofilmen den privaten Ermittler Boston Blackie (USA 1941-1949), basierend auf Kurzgeschichten des seinerseits kriminellen Jack Boyle. Solche Serienhelden agierten in dem Jahrzehnt fast immer in B-Produktionen, doch waren diese teils von überraschender Qualität. Letzteres war u.a. auf die darstellerischen Qualitäten von Leuten wie Chester Morris zurückzuführen. An seiner Seite ist Constance Dowling in Blind Spot ein Imitat der seinerzeit erfolgreichen Veronica Lake, und Steven Geray spielt wie Peter Lorre. Beides hilft nicht, um den Film aus seinem Sumpf der Mittelmäßigkeit zu befreien. Ihre Darstellungen erweisen sich als eigentümlich nichtssagend und blass. So bleibt Robert Gordons Film Noir zuletzt einer der eher schwachen Einträge in der Historie des Filmstils.

 

Trotz der Flut exzellent restaurierter Wiederveröfentlichungen im Kanon des Film Noirs in US-amerikanischen BD- oder DVD-Editionen, welche oft dem Film Noir gar nicht zugehörige Werke beinhalten, gibt es von Blind Spot bis heute (2025) weltweit keine neu editierte Fassung. In einigen Online-Portalen steht er als Fernseh- bzw. Videomitschnitt zur Verfügung, ungekürzt und im Originalformat, allerdings in einer Version von miserabler Bild- und Tonqualität und ohne Untertitel.

 


 

 

Film Noir | 1947 | USA | Robert Gordon | Martin Goldsmith | Paul E. Burns | Sid Tomack | Steven Geray | Constance Dowling

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