Mord in Zelle 3

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Fast-Walking / The Joint
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1982
Darsteller

James Woods, Tim McIntire, Kay Lenz, Robert Hooks, Charles Weldon

Regie
James B. Harris
Farbe
Farbe
Laufzeit
116 min
Bildformat
Widescreen

 


 

 

Auf einer Landstraße in Oregon fährt Frank Miniver (James Woods), meist Fast-Walking gerufen, morgens mit seiner alten Limousine samt dem Kollegen und Freund Jackson (Charles Weldon) auf dem Beifahrersitz: die beiden rauchen einen Joint. Frank philosophiert darüber, was man anstellen müsse, um in kurzer Zeit sorgenfrei leben zu können, indem man nämlich im Süden des Bundesstaats eine Farm kaufe, die dort wegen des geringen Regenfalls für fast nichts zu haben sei… Die beiden sind Wärter in einem am Rande der Kleinstadt gelegenen Staatsgefängnis, vor dessen Haupteingang Miniver den bekifften Jackson in seiner Uniform aussteigen lässt, indessen er selbst noch zum Parkplatz weiterfährt. Ein Kollege beobachtet von oben, auf dem Wehrgang der Mauer stehend, wie Miniver, der um 10 Minuten verspätet ist, in aller Ruhe seinen Joint ausdrückt, dann erst Krawatte und Jacke anzieht, bevor er lockeren Schrittes den an einer Kette heruntergelassenen Schlüssel nimmt und sich selbst zum Seitentor hineinlässt. Ebenso lässig schlendert der Ankömmling dann über den Innenhof, bis er endlich im Kabuff des Ostblocks ankommt, wo sein Cousin Wasco (Tim McIntire), seinerseits ein Häftling, ihn bereits erwartet. Frank lässt Wasco das Wecksignal läuten. In den Zellen gehen die Lichter an und lautes Gefluche erschallt. Miniver findet es witzig, er mag die Leute hier. Damit ist aber sofort Schluss, als der schlecht gelaunte Sergeant Sanger (M. Emmett Walsh) auf der Bildfläche erscheint und ihm die Meinung geigt… 

 

“And for the ultimate thrill of your lifetime, I'll personally drill a little hole right in your head and you can see the light of the lord shine in there.” Ich schätze James B. Harris (Boiling Point, USA/FRA 1993) außerordentlich. Sowohl als ein Drehbuchautor als auch als ein Regisseur hat er die Historie des US-amerikanischen Neo-Noir-Kinos um einige bis heute wenig beachtete, jedoch höchst sehenwerte Filme bereichert. Mord in Zelle 3 ist einer davon. Als ein Werk des Jahres 1982 scheint es jedoch völlig aus der Zeit gefallen. Denn in diesem Jahr, als konservative Blockbuster à la Steven Spielbergs E.T. - Der Außerirdische (USA 1982), Sylvester Stallones Rocky III (USA 1982), Nicholas Meyers Star Trek 2 – Der Zorn des Khan (USA 1982) und Colin Higgins‘ Das schönste Freudenhaus in Texas (USA 1982) ihr Mainstream-Publikum weltweit begeisterten, kam der schonungslos dreckige, implizit sozialkritische Film über die geplante Ermordung eines inhaftierten schwarzen Bürgerrechtlers, William Galliot (Robert Hooks), durch rechtsradikale Rednecks um locker 6 bis 7 Jahre zu spät. Hier atmet alles den rebellischen Geist der 70er und seines New-Hollywood-Kinos von unabhängigen, unbändigen Filmschaffenden wie Arthur Penn, Roman Polanski, Alan J. Pakula oder Robert Altman. Solche Ära war 1982 vom ebenso altbackenen wie technisch fortschrittlichen und vor allem erfolgreichen Kino à la George Lucas, Steven Spielberg, Robert Zemeckis oder James Cameron zu Grabe getragen worden, welches das Lichtspieltheater wieder zum Spektakel aufpumpte und sein Publikum wieder zu Kindern werden ließ. Das US-Kino der 80er Jahre wurde zur Hi-Tech-Version des US-Kinos der 50er. Ein Film wie Mord in Zelle 3 war bei seiner Premiere schon kaum eine Randnotiz seiner Zeit. Das ist extrem bedauerlich, denn James Woods (Mord im Zwiebelfeld, USA 1979) liefert als Frank Miniver aka Fast-Walking eine seiner besten Leistungen ab. Kay Lenz (Rasende Gewalt, USA 1976) holt aus ihrer Rolle das Maximum heraus und überzeugt ebenfalls. M. Emmett Walsh gehört zu den Darstellern, von denen ich nie eine nur mittelmäßige Leistung sah. Und zuletzt ist Susan Tyrrell, eine meiner liebsten Schauspielerinnen der 70er und 80er, das Salz in der Suppe.

 

“That was part of the appeal of this film, to see how (…) the milieu of sleaze and immorality made for one of the most significant "lost" movies of its day”, schreibt Graeme Clark for The Spinning Image in einer der wenigen wertschätzenden, halbwegs positiven Rezensionen des Films. Die US-Amerikaner mochten diesen explizit unmodernen Film, eine Adaption des Romans The Rap (EA 1974) von Ernest Brawley, überhaupt nicht. Über die Zeit jenseits seiner Handlungslogik eine Glaubwürdigkeit seiner Charaktere bewahrt, die ich mich scheue Realismus zu betiteln - benennt es andererseits, was ich meine. Vor allem der amoralische Frank Miniver, der Drogen verhökert und mexikanische Landarbeiter an Huren vermittelt, für die er und Kusine Evie (Susan Tyrrell) quasi in der Funktion von Zuhältern agieren, ist eine schillernde Figur, von Woods zur Perfektion gebracht. Umso bedauerlicher bleibt, dass James Woods, den ich ähnlich wie Stacy Keach vor allem für sein Schauspiel im Alter unterhalb der 40 schätze, zu einem nationalistischen Popanz und Donald-Trump-Anhänger mutierte. Mit schier absurder Fakten-Leugnung und Desinformation ruinierte er seine Reputation und tritt seit 2014 nur noch als Sprecher für Videospiele und Zeichentrickserien auf. James B. Harris‘ Mord in Zelle 3 ist allemal ein Film, den sich Liebhaber des Kinos der 70er auf jeden Fall ansehen können und ansehen sollten. Empfehlenswert!

 

Eine erste restaurierte Fassung wurdein der US-amerikanischen Warner Archive Collection als DVD-R (2010) veröffentlicht, bild- und tontechnisch ansprechend, allerdings ohne Untertitel und ohne Extras. In Spanien erschien diese Fassung als Celda Sin Número auf DVD (2016) mit auch der spanischen Tonspur und optional spanischen Untertiteln. In Frankreich brachte man den Film via Warner Bros. Home Entertainment unter dem Originaltitel als DVD (2013) heraus und das mit einzig der englischen Tonspur plus optional französischer Untertitel, dazu als Bonus ein 60-seitiges Booklet, dass insgesamt 19 Kriminalfilme, fast alle dem Film Noir zuzurechnen, aus der französischen DVD-Kollektion von Warner Bros. vorstellt.

 


 

Neo Noir | 1982 | USA | James B. Harris | James Woods | M. Emmet Walsh | Timothy Carey | Kay Lenz | Susan Tyrrell

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