Cottage On Dartmoor, A

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Bewertung
****
Originaltitel
A Cottage On Dartmoor
Kategorie
Pre Noir
Land
UK/SWE
Erscheinungsjahr
1929
Darsteller

Hans Adalbert Schlettow, Uno Henning, Norah Baring, Anthony Asquith, Judd Green

Regie
Anthony Asquith
Farbe
s/w
Laufzeit
87 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 

Über der kaum besiedelten Landschaft des herbstlichen Dartmoors in Devon am südwestlichen Zipfel Englands hängen dunkle Wolken tief über den wenigen, kahlen Bäumen der Hochebene. Von der Mauer des Gefängnisses springt in der Abendddämmerung ein Häftling (Uno Henning) hinab ins Gras und rennt geradewegs davon. An Viehherden und Weidefeuern vorüber, über Stock und Stein flieht der Mann, an kalten Bächen und Tümpeln entlang… Indessen badet die junge Mutter Sally (Norah Baring) ihren kleinen Sohn in einer Wanne, der daran sichtlich Freuden hat. Sie wohnen in einem aus Holz gefertigten Landhaus inmitten der Hochebene, das dennoch komfortabel und solide ist. Sallys Ehemann Harry (Hans Adalbert Schlettow) ist noch unterwegs, aber ihre Haushaltshilfe hat bereits den Mantel übergezogen, verabschiedet sich von Mutter und Kind und geht hinaus in die nun zunehmende Dunkelheit über dem freien Land. Indessen Sally ihr Kind zu Bett bringt, nähert sich der unermüdlich rennende, erschöpfte Häftling dem Gehöft der Familie, dass er von einem gegenüberliegenden Hügel aus in Augenschein nimmt. Etwa zur gleichen Zeit bemerkt ein Wärter in der Haftanstalt, dass dem Mann der Ausbruch gelungen ist. Als Sally mit einer Näharbeit neben dem Gitterbttechen ihres Jungen sitzend jenen in den Schlaf zu singen versucht, hört sie plötzlich die schweren Glocken des Gefängnisses Alarm schlagen… 

 

“A Cottage on Dartmoor is (…) an early forerunner of film noir, a proto-film noir if you will. It has much of the dark atmosphere and tension that noir films are known for”, schreibt John Sinnott für DVD Talk und war damit einer der ersten, der diesen späten britischen Stummfilm in seiner Bedeutung erkannte und klassifizierte. Die britisch-schwedische Co-Produktion – British Instructional Films (BFI) und Svensk Filmindustri (SF) - hatte ihre Premiere im Oktober 1929. Der Tonfilm hatte seinen Siegeszug bereits angetreten, und in einer Szene des Werks sehen wir tatsächlich die Protagonisten, Sally, Harry und Joe, jenen Häftling der Eingangssequenz, ein Kino besuchen und einen Tonfilm anschauen: “Will you come with me to a talkie tonight?“ Während der Vorführung im Elite Cinema ist das Publikum von dem Vorfilm, einem Stummfilm, sichtlich amüsiert und begeistert, während es durch den Hauptfilm mit seinen Stimmen und Geräuschen in eine furchtsame Agonie und Anspannung verfällt. Es ist eindeutig, welcher Art Film die Sympathien des Drehbuchautors und Regisseurs, Anthony Asquith, sich zuneigten. Zuverlässige Quellen geben an, dass A Cottage On Dartmoor selbst einer der kurzlebigen Hybridfilme gewesen sei, halb Stumm- und halb Tonfilm, wie sie im Jahr 1929 produziert worden waren. Allerdings gibt es bis heute keine voll restaurierte Fassung mit Ton, lediglich die Stummfilmversion des Werks. Was seine Kriminalgeschichte zu einem Vorgänger des Filmstils des Film Noirs werden lässt, ist schnell erklärt. Die hübsche Sally arbeitet als Maniküristin im gleichen Salon, in dem Joe als Friseur angestellt ist. Er verliebt sich leidenschaftlich in die junge Frau, und auch sie scheint ihn zu mögen. Als aber der überaus wohlhabende Kunde Harry ihr schöne Augen macht und Sally ihn gleichermaßen anziehend findet, dreht Joe langsam aber sicher durch. Als Harry eines Tages für eine Rasur Platz auf seinem Stuhl nimmt, kribbelt es in der Hand, die das scharfe Rasiermesser führt, geradezu unwiderstehlich.

 

 

Obsession, Eifersucht, Rachedurst – Anthony Asquiths Thriller zeigt viel von dem, was später vor allem auch den britischen Film Noir kennzeichnen sollte. Man denke nur an Montgomery Tullys Murder In Reverse? / Query (UK 1945), Arthur Crabtrees Der perfekte Mörder (UK 1947) oder Compton Bennetts Aus dem Tagebuch eines Henkers (UK 1948). Henning war Schwede, Schlettow ein Deutscher, der bereits in Filmen Fritz Langs in Erscheinung getreten war, und Norah Barin war Britin, die im Folgejahr in Alfred Hitchcocks Murder! (UK 1930) die weibliche Hauptrolle spielte. Asquiths Film ist zupackend und kompromisslos, wurde von Stanley Rodwell und Axel Lindblom in ausdrucksstarken, dunkel dräuenden Bildern eingefangen und lohnt sich auch für ein Publikum des 21. Jahrhunderts. Hans Adalbert Schlettow allerdings wurde nur wenige Jahre später zu einem glühenden Anhänger des Nationanalsozialismus‘ und war bis zu seinem Tod in den letzten Kriegstagen des Aprils 1945 in vielen Propagandafilmen des Dritten Reichs zu sehen. Anthony Asquith setzte seine Karriere im britischen Film bis in die 60er Jahre erfolgreich fort und drehte später u.a. den Brit Noir The Woman In Question (UK 1950) mit Jean Kent, Dirk Bogarde und Susan Shaw.

 

Das Werk erschien in den USA via Kino Lorber auf einer DVD (2007), jedoch in einer bild- und tontechnisch mittelprächtigen Fassung, ungekürzt und im Originalformat. Eine kurz darauf vom British Film Institute (BFI) in Großbritannien veröffentlichte DVD (2008) beinhaltete dann eine exzellent restaurierte Version inklusive eines Booklets mit Fotografien, einer Kurzdokumentation namens Rush (UK 1940) von Anthony Asquith und einem 15-minütigen Featurette betitelt Insight – A Study Of Anthony Asquith (UK 1960).

 


 

Pre Noir | 1929 | UK | Anthony Asquith | Hans Adalbert Schlettow

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