Love Lies Bleeding

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
**
Originaltitel
Love Lies Bleeding
Kategorie
Neo Noir
Land
UK/USA
Erscheinungsjahr
2024
Darsteller

Kristen Stewart, Katy O’Brian, Ed Harris, Dave Franco, Jena Malone

Regie
Rose Glass
Farbe
Farbe
Laufzeit
104 min
Bildformat
Widescreen

 


 

 

Eine Kleinstadt im Süden New Mexicos, USA, im Jahr 1989: Louise “Lou“ Langston (Kristen Stewart) reinigt in der Fitnesshalle Crater Gym, ihrem Arbeitsplatz, der meist von Männern zum Krafttraining benutzt wird, die verstopfte Damentoilette, wo sie von ihrer Freundin Daisy (Anna Baryshnikov) aufgespürt wird. Die beiden führen eine lose Beziehung, und Daisy möchte sich mit Lou für den Abend verabreden, aber letztere redet sich raus, indem sie vorgibt, ihrer Schwester Bethany (Jena Malone) zur Hand gehen zu müssen. Tatsächlich fährt sie mit ihrem Pick-Up Truck nach Hause, hört sich in der Küche eine Audio-Kassette an, mit deren Hilfe sie sich das Rauchen abzugewöhnen versucht und gibt ihrem Kater sein Futter. Später liegt sie auf der Couch und befriedigt sich selbst… Zur gleichen Zeit lässt sich die aus Oklahoma stammende Bodybuilderin Jacqueline, von allen Jackie genannt, auf einem zur Nachtstunde leerstehenden Parkplatz von Bethanys Ehemann JJ (Dave Franco) in dessen Chevrolet Camaro vögeln. Bevor sie aussteigt, reicht JJ Jackie noch seine Visitenkarte, denn er hat ihr auf dem Schießstand Louis Langstons (Ed Harris) einen Job versprochen, dem kriminellen Vater von Louise und Inhaber von Crater Gym. Jackie schläft unter der Brücke einer Schnellstraße, wo sie morgens ihre Gymnastikübungen absolviert und sich die Zähne putzt. Lou fährt zum Haus ihrer Schwester, um deren Söhne in die Schule zu fahren. Indessen sitzt JJ vor dem Fernseher und bittet Bethany ihm Zigaretten mitzubringen…

 

„Die Film-Noir-Tradition, derer sich (…) Rose Glass bedient, ist (…) weniger die klassische Schwarze Serie der 1940/50er Jahre (…) Stattdessen bezieht sich Love Lies Bleeding freimütig auf das Neo-Noir-Kino der 1990er Jahre“, urteilt Eric Mandel für kunst+film, und damit liegt er nicht falsch. Nur muss man dem Film Noir der 40er und 50er zugutehalten, dass Werke über desperate oder dysfunktionale Liebespaare auch seinerzeit Konjunktur hatten. Man denke an Irving Pichels They Won’t Believe Me (USA 1947) oder an Joseph H. Lewis‘ Gefährliche Leidenschaft (USA 1950). Autoren und Regisseure wie John Dahl, Mike Figgis, Carl Franklin oder Joel und Ethan Coen, die in den 90ern den Neo Noir wiederbelebten, wussten genau, dass der Film Noir nicht harmlos gewesen war. Natürlich konnte er Sexualität und Gewalt nicht darstellen, wie es in Love Lies Bleeding der Fall ist, erst recht kein lesbisches Paar ins Zentrum der Handlung rücken. Aber das ist nicht, was diese Produktion im Rekurs aufs Porträt der USA in den 80ern zu einem couragierten Thriller werden lässt. Von Anbeginn ist der Mikrokosmos der Kleinstadt, von dem wir den vornehmlich als “White Trash“ bezeichneten Teil der Bevölkerung kennenlernen, völlig kaputt. Es geht um Sex und Gewalt, ums Geld und ums Überleben im Dschungel der Zivilisation, dessen Gesetzmäßigkeiten denen der freien Wildbahn gleichen – entweder herrschen oder gehorchen. In einer mittellosen und/oder kriminellen Familie heranzuwachsen ist ein Horror. Folglich geht es im Leben der Erwachsenen darum, den Horror, der sich von Generation zu Generation fortsetzt, zu begrenzen. Lous ältere Schwester Bethany (Jena Malone) ist mit dem gewalttätigen JJ verheiratet, und Lou sieht ihre Lebensaufgabe darin das mehr als labile Gleichgewicht solcher toxischen Beziehung zu erhalten. Um Recht und Ordnung wiederherzustellen, verteilt das FBI hin und wieder Visitenkarten. Aber äußere Gefahren und die eigene Angst lassen entweder Schweigen oder Selbstjustiz als verlässliche Optionen erscheinen. Sobald Lou mit Jackie in eine Liebesbeziehung stolpert, gerät das fragile Konstrukt ihres Lebens jedoch ins Wanken. 

 

“It's the ones you love the most who always disappoint you in the end.” Seit den 70ern ist Ed Harris in unterschiedlichsten Rollen aufgetreten, aber es ist der Bösewicht, für den man ihn liebt. Ob in Phil Jonaous Im Vorhof der Hölle (UK/USA 1990) oder in Ben Afflecks Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel (USA 2007), Harris ist in solchen Neo-Noir-Klassikern präzise besetzt und mit 74 Jahren in Love Lies Bleeding ebenso. Fairerweise muss ich gestehen, dass ich von Rose Glasses Film nicht viel Gutes erwartete, was dem Ruf Kristen Stewarts geschuldet ist. In ihrer Filmografie gibt es fast nichts, was mich interessierte. Ihre Darstellung der Louise Langston hat mich aber überzeugt und damit überrascht. Ebenso ist Katy O’Brian erwähnenswert, die ihrerseits engagiert und glaubwürdig agiert. Dass sich in den USA sowohl Kritiker als auch Zuschauer über ihre Sexszenen echauffierten, zeigt lediglich, wie weit wir uns inzwischen vom Kino der 70er und 80er entfernten. Hier wird Leidenschaft gemimt; explizit ist rein gar nichts. Lange Rede, kurzer Sinn: Love Lies Bleeding ist ein Neo Noir in der Nachbarschaft von Joel Coens Blood Simple – Eine mörderische Nacht (USA 1984) oder John Dahls Kill Me Again / Töten Sie mich (USA 1989), und zuletzt gebe ich nur zwei Sterne. Warum? Weil die Schlussphase des Films schier lächerlich ist. Wie kann man einem derart durchdachten Drama ein solches 08/15-Finale und dann nochmals unfassbar dämliche letzte 5 Minuten anhängen, die nicht mir allein sondern vielen Cineasten den Film ruinierten? Tja, es tut mir leid. Ich kann die Frage nicht beantworten. Man müsste sie der Autorin und Regisseurin Rose Glass stellen, denn ich verstehe das nicht. In seinen finalen 15 Minuten fällt der Film völlig auseinander. Selten war ich vom Finale und vom Schlusspunkt eines Films dermaßen enttäuscht.

 

Es gibt eine fein editierte deutsche BD-Edition (1080 p, 2024) und eine DVD (2024) der Plaion Pictures GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch topp, dazu der original englische Ton, die deutsche Kinosynchronisation (die man vermeiden sollte) sowie optional Untertitel auf Deutsch. Als Extras sind ein Audiokommentar von Rose Glass, das Featurette Sex, Stereoids and Codependency und der Kinotrailer beinhaltet. Das Ganze gibt es im alternativen Cover auch als Luxus-Edition, also als 2-Disc-Mediabook (2024) mit 4K UHD plus der regulären BD inklusive der gelisteten Extras.

 


 

Neo Noir | 2024 | USA | Rose Glass | Ed Harris | Keith Jardine

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