Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Pål Sverre Hagen, Jacob Lohmann, Amanda Collin
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In einem feuchten Verließ kritzelt die blutige Linke des Jungen Poul (Jack Moland) eine Botschaft auf ein Stück Papier, steckt sie in eine Plastikflasche und bugsiert letztere an seinem Peiniger, der mit einer Taschenlampe den Raum ausleuchtet, vorbei in die Nordsee. Einige Zeit hängt sie Unterwasser in einem Maschendraht fest, wird dann von der Strömung befreit und ans Ufer gespült. Als ein Schwimmer (Arnfinn Skadsen) im Neoprenanzug eines Morgens sein Training beendet, findet er sie am Strand… Im Keller des Polizeihauptquartiers in Kopenhagen befindet sich das Sonderdezernat Q, die Abteilung für alte, ungelöste Fälle. Rose Knudsen fordert (Johanne Louise Schmidt) ihren Kollegen Assad (Fares Fares), der konzentriert an seinem Schreibtisch sitzt, zu einem Boxtraining heraus, und schließlich willigt er sogar ein. Kurz darauf greift Assad zum Telefon und versucht unter Roses neugierigem Blick den Kollegen Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas) anzurufen, doch er erreicht nur den Anrufbeantworter. Etwas später schaut der Kriminalbeamte Børge Bak (Michael Brostrup) im Keller vorbei und bringt ihnen eine alte Flaschenbotschaft mit einem Hilferuf. Er hat den neuen Kollegen Pasgård (Jaco Oftebro) dabei, der sich vorstellt. Als Rose gegenüber Bak erwähnt, dass Polizeichef Marcus Jacobsen (Søren Pilmark) ihren Kollegen Mørck, der in schlechter Verfassung gewesen sei, nach Hause geschickt habe, unterbricht Assad sie. Carl Mørck sei genesen und werde morgen seinen Dienst antreten, erklärt er, und die Besucher gehen…
„Besonders die Figur des »Missionars« Johannes, von Pål Sverre Hagen immerhin mit beachtlicher Eisigkeit ausgestattet, wirkt arg konstruiert“, attestiert Frank Schnelle für epd Film mit Blick für Details dem dritten Nordic Noir aus der Serie ums Sonderdezernat Q vom dänischen Kriminalschriftsteller Jussi Adler-Olsen, dessen Roman Flaskepost fra P (EA 2009, auf Deutsch 2011 als Erlösung) hier die Vorlage war. Auch erkannte Frank Schnelle schon bei der Kinopremiere, dass wie beim Film auch beim Buch zwischen dem trockenen Originaltitel, übersetzt Flaschenpost von P, und dem reißerischen Erlösung der dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG kein nachvollziehbarer Zusammenhang besteht. Ein solcher ergibt sich auch aus der Handlung kaum. Immerhin ist erwähnenswert, dass die dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG ab dem siebten Roman der Reihe (EA 2016) ihre Betitelung teils umstellte. Der vierte Film mit Nikolaj Lie Kaas und Fares Fares als Ermittler-Duo, Originaltitel Journal 64 (DNK/GER 2018), erschien wie die deutsche Buchausgabe (EA 2012) als Verachtung. Lange Rede, kurzer Sinn: In Erlösung geht es um den Fanatismus einer christlichen Sekte, um extreme Religiosität als Urgrund einer Parallelgesellschaft, die von Misstrauen geprägt ist und sich abschottet, demgegenüber man Mit-Fanatikern aus (scheinbar) den eigenen Reihen Haus und Hof öffnet. So geraten Carl Mørck und Assad mit Unterstützung von Rose auf die Spur eines Erpressers und Serienmörders, der seit Jahren Kinder aus religiösen Familien entführt, ohne dass die Eltern bei den Behörden Anzeige erstatteten. Solches Thema wird spannend aufbereitet, denn daran mangelt es dem Nordic Noir grundsätzlich kaum: In Sachen Spannung war der skandinavische Neo Noir seit Anbeginn weit vorn. Folglich gilt erst einmal festzustellen, dass Erlösung alles andere als langweilig ist. Insbesondere im Vergleich zum ersten Film, zu Mikkel Nørgaards Erbarmen (DNK/GER/SWE/NOR 2013), ist das Sonderdezernat Q, die in den Keller verbannte Abteilung für ungelöste Fälle, um welche die Sonderlinge Mørck und Assad sich bitte kümmern sollen, jedoch allzu etabliert. Die Probleme der Figuren mit sich selbst und mit der Welt sind nurmehr Tünche, und der Thriller könnte ebenso auf ein Sonderdezernat Q verzichten und in einer der oberen Etagen angesiedelt sein. Ja, er könnte sogar eine US-amerikanische Produktion sein. Selbst das würde kaum einen Unterschied ausmachen.
Letzteres ist bedauerlich, denn davon lebt der Nordic Noir - von seinen Eigenheiten. Auch hier serviert man die blassen, winterkühlen Farben, die neben immerzu müden, abgespannten Gesichtern die Tristesse des Lebens in einer von Kargheit und Gleichförmigkeit geprägten Gesellschaft signalisieren. Solange bis eine grausame Gewalttat uns Zuschauern zeigt, wie unterm Einfluss von ein, zwei Erlebnissen die Maske aus Gehorsam und Resignation aufbricht und glühender Hass zu Vorschein kommt… Aber die Formel ist zu formelhaft, die Action zu action-lastig: das Ganze wird vorhersehbar und büßt an Glaubwürdigkeit ein. Am Ende ist der Antiheld zu wenig Anti-, und der Bösewicht, Frank Schnelle hat es auf den Punkt gebracht, einen Tick zu böse. Das mag unterhaltsam sein. Wirklich gut ist es trotz hochwertiger Kameraarbeit und der stets exquisiten Darstellerinnen und Darsteller aber nicht. So bleibt Hans Petter Molands Erlösung nach einem lediglich halbgaren Finale ein skandinavischer Neo Noir, der mich mit dem Gefühl zurückließ: Hier wäre mehr drin gewesen. Schade!
Eine deutsche BD- und DVD-Edition (2017) der NFP marketing & distribution GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat ist bild- und tontechnisch exzellent, obendrein gibt es die original dänische Tonspur mit optional deutschen Untertiteln, die der ebenfalls enthaltenen deutschen Synchronisation vorzuziehen ist. Als Extras sind der Kinotrailer und ein Teaser sowie Interviews mit Hans Petter Moland, Pål Sverre Hagen und Nikolaj Lie Kaas beinhaltet.