Rex Harrison, Lilli Palmer, Tania Heald, Henrietta Barry, Dora Sevening
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London, England: Es ist spät am Abend, als das Publikum aus dem Theater auf die Straße tritt und kurz darauf der Pförtner Harry das schmiedeeiserne Tor schließt. Über den Bühneneingang verlässt auch eine junge Frau (Jill Bennett) das Etablissment, blickt kurz zum Himel empor und das in dem Augenblick, als der Vollmond durch die Wolkendecke linst. Indessen sie am Haupteinang vorübergeht, wünscht sie dem Pförtner noch eine gute Nacht, dann folgt sie weiter der dunklen, gänzlich verlassenen Gasse. Plötzlich aber bleibt sie stehen, wendet sich abrupt nach links, doch es ist zu spät. Ihr Mörder (Anthony Dawson) ist bereits aus dem Schatten eines Hauses auf sie zugetreten und sticht kaltblütig zu, bevor er hastig in die entgegengesetzte Richtung flieht… In der Londoner Redaktion des Zeitungsjournalisten Leslie Scott (Michael Medwin) hat sich mit Jefferson (Lionel Murton) ein Gast aus den USA eingefunden, der sich von dem Freund Inspirationen für ein Buch erhofft, nachdem jener ihm einen Tatsachenbericht über einen in England verurteilten Unschuldigen versprochen hatte. Scott macht deutlich, dass der Mord, von dem sich Jefferson bereits ein Bild machen konnte, nur der Beginn des Falls war. Ein Jahr später traten aus genau dem Bühneneingang des Theaters die Tänzerinnen Rose Mallory (Patricia Cutts) und Marjorie Danns (Meriel Forbes) ins Dunkel des Abends hinaus und begaben sich auf den Weg zu Joe’s Club. Sie bemerkten allerdings nicht, dass sie von Beginn an einen Verfolger hinter sich hatten…
Licht und Schatten. Dafür sorgt allein Wilkie Cooper (Achtung: Grün! / Narkose, UK 1946), einer der besten britischen Kameramänner seiner Zeit, der diesen britischen Thriller dank expressionistischer Bildkompositionen veredelt. Einigen Anteil hat allerdings auch das Drehbuch mit seiner Zeichnung des Ehepaars Arthur und Mary Groome in der Darstellung durch Lilli Palmer und Rex Harrison, die zu dem Zeitpunkt auch privat verheiratet waren. Spätestens hier wird es auch bizarr, denn Harrison hatte nur wenige Jahre zuvor eine Affäre mit der Schauspielerin Carol Landis (I Wake Up Screaming / Hot Spot, USA 1941), verweigerte ihr die Scheidung von Ehefrau Lilli Palmer, was dann angeblich Landis zum Selbstmord bewog, die sich 1948 im Alter von 29 Jahren das Leben nahm. Die Parallelen zum Brit Noir The Long Dark Hall sind offensichtlich: ein Ehemann und Familienvater lässt sich zu einer stürmischen Affäre mit Rose Mallory hinreißen, Tänzerin in einem Revue-Theater. Nach Auffinden der Toten in ihrer Wohnung durch Groome selbst und sein nachfolgendes Ungeschick – Roses Vermieterin Mrs. Rogers (Brenda de Banzie) kennt ihn mit Namen und nimmt ihm eigenhändig den Haustürschlüssel ab – gerät er unter Mordverdacht und landet im Gefängnis. Anstatt seinem Verteidiger und der Ehefrau nun endlich die Wahrheit zu sagen, kommt das Ausmaß seiner Obsesion mit der deutlich jüngeren, alkoholabhängigen Rose ans Licht, als Staatsanwalt Sir Charles Morton (Denis O’Dea) Groomes von Leidenschaft triefenden Liebesbriefe, die Rose stets verwahrte, im Gerichtssaal auszugsweise vorliest. All das lässt Mary dennoch nicht im Geringsten an Arthurs Liebe zweifeln; sie stellt ihn nicht einmal zur Rede. Bedingungslos hält sie zu ihm und versucht alles, um den nach ihrer Überzeugung unschuldigen Arthur ins traute Heim der Familie nach Richmond zurückzuholen. Das Netz der Indizien ist jedoch erdrückend, und niemand als Arthur Groome selbst hat es geknüpft. Hand aufs Herz: Der jämmerliche Lügner und im Zeugenstand sich windende Spießbürger ging mir auf die Nerven. Rex Harrsion, sonst ein guter Schauspieler, überzeugt in dieser Rolle nicht, weil die Figur Arthur Groome selbst nicht überzeugen kann, ebensowenig wie seine Ehefrau Mary.
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“Just as things seem like they‘re about to get really exciting, it ends. And nothing really feels resolved“, heißt es in einer Rezension bei Classic Movie Ramblings über das vollständig (!) fehlende Finale und einen derart abrupten und absurden Schluss, als sei der Produktion von einem auf den anderen Tag das Geld ausgegangen. Wer sich schon bei The Walls Came Tumbling Down (USA 1946) oder Herrin der toten Stadt (USA 1948) über ein nicht mal ansatzweise glaubwürdiges Ende ärgerte, erlebt hier sein blaues Wunder. Derart hastige und lustlose letzte zwei Minuten habe ich andernorts im Film noch nie gesehen. Was bleibt also? Neben einer zumindest soliden Geschichte basierend auf Edgar Lustgartens Kriminalroman A Case To Answer (EA 1947) und der erwähnten Karmeraarbeit sind es vor allem einige Nebendarsteller, die ihre Klasse zeigen: Eric Pohlmann, Anthony Dawson, Meriel Forbes, Denis O’Dea und Brenda de Banzie sind allesamt großartig und spielen richtig engagiert. Umso bedauerlicher, dass die unerfahrenen Regisseure – Anthony Bushell war in erster Linie Schauspieler, Reginald Beck Produzent – mit ihrer zuletzt lahmen Inszenierung die Geschichte selbst in den Teich setzen. Rex Harrison gab später zu Protokoll, dass The Long Dark Hall der schlechteste Film sei, bei dem er jemals mitgewirkt habe, und ich kann diese Einschätzung zumindest nachvollziehen.
Die von der Network Ltd. (UK) veröffentlichte DVD-Ausgabe (2016) enthält das Werk mit dem ungekürzten Film in sehr guter Bildund Tonqualität und im korrekten Format, ohne Untertitel und dazu mit einer Bildergalerie als einzigem Bonus. Im Jahr 2019 brachte die Network Ltd. sogar eine Blu-ray in gleicher Ausstattung auf den Markt, dieses auch mit einer nochmals deutlich verbesserten Bildqualität.