Dead Man

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Bewertung
****
Originaltitel
Dead Man
Kategorie
Western Noir
Land
USA/GER/JPN
Erscheinungsjahr
1995
Darsteller

Johnny Depp, Gary Farmer, Lance Henriksen, Michael Wincott, Robert Mitchum

Regie
Jim Jarmusch
Farbe
s/w
Laufzeit
116 min
Bildformat
Widescreen
 

 

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© Pandora Film GmbH & Co. Verleih KG  © Studiocanal GmbH
 
Der Buchhalter William Blake (Johnny Depp) fährt mit dem Zug von Cleveland nach Westen, um in dem Nest “Machine” in der Metallverarbeitung John Dickinsons (Robert Mitchum) eine Stelle anzutreten. Lang ist die Fahrt, auf der sich die stampfende Lokomotive den Weg durch Landschaften bahnt, die vor dem Fenster ebenso wechseln wie ihre Passagiere, die ein- und aussteigen. Der Heizer des Zuges (Crispin Glover) setzt sich zu ihm und informiert Blake, dass “Machine“ sogar in diesen Regionen das Ende der Strecke sei, indessen die Trapper von den Fenstern des Waggons zum Spaß Büffel erschießen. Die Ankunft in „Machine“ ist ernüchternd. Der Ort besteht aus miesen Hütten entlang einer verschlammten Hauptstraße, wo Schweine und Pferde ihre Exkremente ablassen, Trapper Felle und Geweihe auslegen oder sich in einer Toreinfahrt ein Kerl von einer Nutte schnell bedienen lässt… In den trostlosen Büroräumen von Dickinson Metal Works stellt sich Blake dem Büroleiter John Scholfield (John Hurt) vor. Aber der will von Blakes Einstellung nichts wissen und erklärt ihm, dass deren briefliche Bestätigung zwei Monate alt und er damit einen Monat zu spät sei. Inzwischen sei Mr. Olafsen (John North) der Buchhalter. Blake geht beherzt in John Dickinsons Büro, der ihn aber mit vorgehaltener Schrotflinte zum sofortigen Verlassen der Fabrik zwingt. So irrt William Blake mit seinem Koffer abends durch den Ort und kauft sich im örtlichen Saloon einen Flachmann mit Whisky. Er sitzt draußen auf den Stufen, als er sieht, wie ein Betrunkener (Peter Schrum) die hübsche Thel Russell (Mili Avital) in den Schlamm der Straße stößt…
 
“Additionally, the decision for making Dead Man a black and white movie (…) also reminds of the connotations of the Film Noir of the 1940s and 50s”, heißt es in Deconstructing Western Roads: Jim Jarmusch’s Dead Man. Und Patrick Kilian schreibt in seiner Rezension des Albums The Mystery of Heaven (2012) von Josef van Wissem und Jim Jarmusch, der selbst gelegentlich noch als Musiker in Erscheinung tritt: „Ein wahres Meisterwerk für die Verschmelzung von Musik und Film gelang Jarmusch (…) 1995 mit seinem Noir-Western Dead Man.“ Dennoch sind es bis heute wenige Kritiker, die Jim Jarmuschs tragischen und vielschichtigen Film Dead Man dem Western Noir oder dem Film Noir zurechnen, obgleich der Regisseur selbst klar zu verstehen gab: “The Western as a genre doesn't interest me.“ Auch aus seiner Abneigung gegenüber John Ford machte er keinen Hehl. Jim Jarmusch lernte während seines Studiums der Filmwissenschaften in New York bei Nicholas Ray (Im Schatten der Nacht (USA 1948), er wurde Produktionsassistent bei Wim Wenders (Der amerikanische Freund, GER/FRA 1977), er war Sänger der No-Wave-Band The Del-Byzanteens und drehte die Langfassung seines Kurzfilms Stranger Than Paradise (USA/GER 1984) mit dem Geld des deutschen Filmproduzenten Otto Grokenberger. 10 Jahre vor dem Auftauchen eines Quentin Tarantinos war Jarmusch der weit reflektiertere und deutlich eigenständigere Protagonist einer cineastischen Sub- und Gegenkultur, der mit der US-amerikanischen Filmindustrie stets haderte, viele Entäuschungen erlebte und so manchen Kompromiss eingehen musste. Und der sich - im Gegensatz zu Tarantino - nie an den Mainstream verkaufte.
 
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© Pandora Film GmbH & Co. Verleih KG  © Studiocanal GmbH
 
Mit dem späteren Weltstar Johnny Depp in der Hauptrolle bebildert Dead Man die tragische Reise William Blakes in die Fremde, in die Einsamkeit, die ihm jedoch sein Innenleben neu erschließt, und schließlich in den Tod. Großartig ist Gary Farmer als Indianer Nobody, dem Jarmusch in seinem Neo Noir Ghost Dog - Der Weg des Samurai (FRA/GER/USA/JPN 1999) nochmals einen Cameo-Auftritt gönnte. Der Fatalismus des von Kameramann Robby Müller auf Zelluloid gebannten Dramas erinnert an Allen Barons Post Noir Explosion des Schweigens (USA 1961) - auch ein Werdegang ohne Rückfahrkarte. Blake begegnet nach Ankunft in “Machine“ seiner Schicksalsfrau Thel Russell, Femme fatale ohne Bewusstsein ihrer Rolle, und er lädt den Zorn John Dickinsons auf sich, mit dem Robert Mitchum ein letztes Mal zur Form seiner Film-Noir-Rollen fand und die an Die Nacht des Jägers (USA 1955) und an Ein Köder für die Bestie (USA 1962) denken lässt. Grundsätzlich hat Dead Man mit solchen gleichermaßen in ländlichen Gefilden angesiedelten und ebenfalls so poetischen wie brutalen Ausnahmefilmen des Film Noirs mehr zu tun als mit dem Western-Genre. Doch trotz namhafter Leute wie Depp, Mitchum, John Hurt, Gabriel Byrne oder Billy Bob Thornton und trotz eines Cameos von Iggy Pop und einer wunderbaren Filmmusik Neil Youngs konnte sich Jim Jarmusch nicht den Beifall der US-amerikanischen Filmindustrie erwerben. Ein Vertriebsdeal mit Miramax führte zum Streit und einer vierjährigen Zwangspause, wie J.D. Lafrance für Senses of Cinema hervorhebt: “Jarmusch (…) clashed with the studio’s headstrong owner, Harvey Weinstein, who wanted to change some of the content of the film to make it more marketable.” In der für den Neo Noir so fruchtbaren Periode der Neunziger ist Dead Man die Ausnahme eines gelungenen und einzigartigen Western Noirs.
 
Erstklassige DVD-Edition (2002) von Arthaus / Studiocanal, die den Film ungekürzt im Originalformat mit dem englischen und deutschen Ton, optional deutsche Untertitel, sowie mit geschnittenen Szenen, dem Kinotrailer, einem Musikvideo und Starinfos als Extras präsentiert. Vorbildlich!
 

Western Noir | 1995 | USA | Jim Jarmusch | Robby Müller | Billy Bob Thornton | Gabriel Byrne | John Hurt | Johnny Depp | Lance Henriksen | Michael Wincott | Robert Mitchum

Gespeichert von Gast (nicht überprüft) am 6. August 2013 - 12:19

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Vergleiche zwischen Jim Jarmusch und Quentin Tarantino werden immer hinken. Eher kann man Parallelen zu Abel Ferrara ziehen: Beide wurden Anfang der 5oer Jahre geboren, beide begannen Mitte/Ende der 70er Jahre als Low-Budget-Amateurfilmer in den Straßen von New York.

Außerdem standen beide der New Yorker Punk-Szene nahe und waren Dauergäste in Kult-Kaschemmen wie dem legendären CBGB's in der Lower East Side. Hausbands wie 'Suicide' und 'Television' gehörten zu den erklärten Favoriten von Ferrara und Jarmusch. Jarmuschs Erstling 'Permanent Vacation' (1980) fängt die damalige Subkultur in der Bowery gut ein, ebenso wie zuvor Ferraras Horrorstreifen 'Driller Killer' (1976) und der im gleichen Jahr erschienene Dokumentarfilm 'Blank Generation' von Amos Poe and Ivan Kral, der ebenfalls zum Pflichtprogramm gehört und mittlerweile auf DVD erhältlich ist:

http://www.theblankgeneration.com/about2013.html

Barolojoe

Jim Jarmusch persönlich kam in Interviews auf Tarantinos Werdegang im Vergleich mit seinem zu sprechen, insofern Tarantino etwa 10 Jahre nach Jarmusch selbst als (scheinbar) in der Subkultur fußend Filme drehte bzw. deren Drehbücher schrieb, die dem Hollywood-Mainstream zwei Nasenlängen voraus waren. Hierbei war der Tenor, dass jenem gelang, was Jarmusch verwehrt blieb, nämlich (vor allem in den USA) ein Massenpublikum für sich zu gewinnen.

Ein Vergleich der Werke der beiden Regisseure förderte schnell zutage, wie unterschiedlich sie im Grunde sind und warum ein solcher in der Tat hinkt. Genau deshalb verzichte ich hier darauf. Dennoch ist erwähnenswert, dass der bei weitem bessere Filmschaffende im Kontext ein viel kleineres Publikum für sich gewinnen konnte und sich bis heute an den Produktionsbedingungen im Filmgeschäft abrackern muss.

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