Daughter Of Darkness

NOIR CITY 21 - Oakland 2024



Psychologische Verteidigung


Concorde Home Entertainment


Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


banner_der_film_noir_3.jpg


Bewertung
****
Originaltitel
Daughter Of Darkness
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1948
Darsteller

Anne Crawford, Siobhán McKenna, Maxwell Reed, George Thorpe, Barry Morse

Regie
Lance Comfort
Farbe
s/w
Laufzeit
91 min
Bildformat
Vollbild

 


 

© Paramount Pictures

Ballyconnen, Irland: In der Dorfkirche beschließt Pater Cocoran (Liam Edmond) die sonntägliche Predigt und die Gemeinde strömt aus dem Kirchenschiff. Im Durchgang zum Vorraum bleiben mehrere Frauen des Ortes stehen und blicken auf die Bank, wo Emmy Baudine (Siobhán McKenna) stets ins Gebet vertieft scheint. Es müsse ein Ende nehmen, fordern sie kurz darauf in einer Unterredung mit dem Pfarrer. Die seltsame und für alle Männer Ballyconnens so anziehende junge Frau, die Cocoran als Kirchendienerin im Haus beschäftigt und die dort bei ihm lebt, müsse das Dorf verlassen. Der Pfarrer ist von der Unterredung sichtlich betroffen. Nachdem die Frauen gegangen sind, hört er aus der Kirche Orgelmusik. Er findet Emmy vor dem Instrument, ihre Hände auf dessen Tasten, die eine unheimliche Melodie erklingen lassen, während sie ihr entrücktes Gesicht zur Decke hebt. Als der Pfarrer ihr Spiel unterbricht, weiß sie die Frage nach jenen Anfällen, die sie heimsuchen und in solche Zustände versetzen, nicht klar zu beantworten. Im Tageslicht des kommenden Tages erreicht Murdoch’s Mammoth Fair, ein fahrender Jahrmarkt, das irische Dorf, und die Leute freuen sich auf die Abwechslung. Als Emmy mit einem Korb Blumen die kleine Betty vor dem Zeitungskiosk ihrer Eltern spielen sieht, fragt sie sie, warum sie nicht auch zum Jahrmarkt gehe. Betty erklärt, dass ihre Mutter ihr verboten habe mit Emmy zu sprechen. In dem Moment kommt diese flugs herbeigerannt und zieht ihre Tochter keifend in das Ladenlokal…

 

"Daughter of Darkness was one of the first British films to tackle the theme of psychological trauma, making it a groundbreaking work in the film noir genre”, heißt es über das Werk auf der Online-Plattform Simkl. Der vollständige Text verzeichnet keine/n Autor:in und nennt teils falsche Schauspieler, weshalb der Verdacht naheliegt, dass er via KI generiert wurde. Die Frage bleibt: Stimmt das? Ja und nein. Zumeist wird Daughter Of Darkness als klassischer Horrorfilm etikettiert, was meiner Ansicht nach falsch ist. Obgleich er sich Elemente des Gruselfilms der 40er zu eigen macht, ist er ebenso wie Mark Robsons The Seventh Victim (USA 1943) ein waschechter Thriller. Dass die Femme fatale eines Film Noirs mörderisch sein kann und ist, hatten André De Toth mit Guest In The House (USA 1944), Robert Siodmak mit Der schwarze Spiegel (USA 1946), John Brahm mit The Locket (USA 1946), Curtis Bernhardt mit Hemmungslose Liebe (USA 1947) und auch Lance Comfort mit Bedelia (UK 1946) längst psychologisch ausgelotet. Eine Frau, von einem Trauma heimgesucht und in ihrer Persönlichkeit verwandelt, das war 1948 längst nichts Neues. Der Jahrmarkt als eine Gegenwelt zur spießbürgerlichen Sphäre der Dorfgemeinschaften, zu Beginn in Irland und später in Yorkshire, England, lässt an Edmund Gouldings Der Scharlatan (USA 1947) denken. Ist Lance Comforts Adaption von Max Cattos Theaterstück They Walk Alone (EA 1938), zu dem jener selbst das Drehbucht verfasste, aber ein Film Noir? Vor allem in seiner zweiten Hälfte ist er es - von allerlei Referenzen an den „gotischen“ Grusel durchsetzt wie Robert Siodmaks Die Wendeltreppe (USA 1946). Und das ist durchaus ein Ausweis von Qualität, nicht zuletzt dank jener zweiten, meist bei Nacht spielenden 45 Minuten des Films und der von Kameramann Stanley Pavey (Die Stimme des Gewissens, UK 1948) gestalteten Bildsprache, die noch heute zu beeindrucken weiß.

 

© Paramount Pictures

”See what you’ve done to my wrist. I wish, I could make you suffer for that." Auf dem Bauernhof der Familie Tallent, dahin Emmy Baudine von Pater Corcoran geschickt wird, hegt die mit Robert Stanforth verheiratete Bess (Anne Crawford), älteste Tochter des Hauses, schnell eine intuitive Abneigung gegen die Irin. Eines Tages kommt Murdoch’s Mammoth Fair nach Yorkshire, und es dauert nicht lange und die Ereignisse überschlagen sich… Dramatik und Tragik erweisen sich gerade auch im Finale als überraschend gewagt für eine Produktion der späten 40er. Zugleich gäbe es über das Porträt der Emmy Baudine, von Siobhán McKenna wunderbar dargestellt, mit Blick auf dessen Für und Wider noch so einiges zu erörtern. Zwar wird Emmy stets auch als gepeinigte und zarte Seele vorgeführt, demgegenüber die sexuelle Triebkraft jener Männer, die ihr nicht zu widerstehen wissen, quasi als Naturgewalt und damit als gesellschaftskonform hingenommen wird. Die Tragik schlug in folgenden Jahrzehnten auch im Leben mancher der Darsteller zu: Anne Crawford verstarb 1956 mit 35 Jahren an Leukämie. Grant Tyler wurde lediglich 43 und Maxwell Reed 55 Jahre alt. Siobhán McKenna, Ehefrau von Denis O’Dea (Ausgestoßen, UK 1947), starb mit 63 Jahren. Ihr gemeinsamer Film floppte bei seiner Premiere im Jahr 1948, für mich eher unverständlich, und harrt bis heute auf seine Wiederentdeckung und eine Neubewertung. 

 

Obgleich Großbritannien sorgsam mit seiner Filmklassik umgeht und im Kanon des Brit Noirs viele wunderbar restaurierte Wiederveröfentlichungen als BD- oder DVD-Editionen zugänglich machte, gibt es von Daughter Of Darkness bis dato (2025) keine neu editierte Fassung. In einigen Online-Portalen steht er als Fernseh- bzw. Videomitschnitt zur Verfügung, ungekürzt und im Originalformat, in einer Version von zumindest annehmbarer Bild- und Tonqualität, allerdings ohne Untertitel.

 


 

Film Noir | 1948 | UK | Lance Comfort | Cyril Smith | Maxwell Reed | Anne Crawford | Honor Blackman

Neuen Kommentar hinzufügen

CAPTCHA
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.