Round About Midnight

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Psychologische Verteidigung


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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Mayonaka made
Kategorie
Neo Noir
Land
JPN
Erscheinungsjahr
1999
Darsteller

Hiroyuki Sanada, Michelle Reis, Akira Emoto, Jun'ichi Haruta, Toshiaki Karasawa

Regie
Makoto Wada
Farbe
Farbe
Laufzeit
110 min
Bildformat
Widescreen

 

 


 

 

Tokio, Japan: Im fünften Stock eines Parkhauses treffen sich in der Dunkelheit des Abends zwei Polizeibeamte (Ittoku Kishibe, Jun Kunimura) und zwei Männer (Naomasa Musaka, Yōji Tanaka) des Gangsters Tazaki (Takashi Sasano), seines Zeichens Inhaber des Nachtclubs Phantom Ladies, wo ausländische Frauen ohne Aufenthaltsgenehmigung als Tänzerinnen arbeiten und Botengänge übernehmen müssen. Es werden zwei Lederkoffer getauscht, deren Inhalt von den Parteien je überprüft wird; dann steigen die Gauner in ihren Cadillac Fleetwood Brougham und fahren davon. Auch die korrupten Polizisten gehen zu ihrem Wagen zurück, als der ihnen bekannte Sakuma (Jun'ichi Haruta) aus dem Schatten einer Parkbucht hervortritt und auf sie zukommt… Nicht weit vom Parkhaus entfernt liegt der Jazzclub Cotton Tail, wo heuteAbend das Koji Moriyama Quintet einen Auftritt absolviert mit dem gleichnamigen Bandleader und Trompeter (Hiroyuki Sanada) inmitten eines Solos des Stücks ‘Round Midnight, das Miles Davis auf seinem Erfolgsalbum Round About Midnight einst in den Kanon der Jazzklassiker erhoben hatte. Koji kündigt eine Pause an; um Mitternacht werde es weitergehen. Vorerst will er sich aufs Dach begeben, wo er in der Nachtluft eine Zigarette rauchen und an einem neuen Stück arbeiten möchte. Kurz tritt er noch an die Bar und wird hier vom Inhaber des Cotton Tail (Haruhiko Saitô) daran erinnert, dass der berühmte G.P. aus den USA sich für Kojis Auftritt heute um Mitternacht angekündigt habe…

 

Hin und wieder erlebt auch der erfahrene Cineast eine Überraschung, und für mich war und ist Makoto Wadas Round About Midnight eine solche. Der halbwegs populäre Jazz-Trompeter und Bandleader Koji Moriyama gerät mit der illegal in Japan lebenden Nachtclubtänzerin Linda (Michelle Reis) in Strudel krimineller Machenschaften, als letztere Zeugin eines Mordes wird und die beiden sich plötzlich auf der Flucht befinden. Auf sich gestellt müssen sie versuchen korrupten Polizei-Offizieren, welche ihnen auf den Fersen sind, deren Verbrechen nachzuweisen. Das klingt nach der Ausgangslage eines US-amerikanischen Film-Noir-Klassikers der 40er und 50er, nach der zum Klischee geronnenen Blaupause für Dutzende von Neo Noir-Thrillern seit Ende der 60er Jahre, und tatsächlich ist die Geschichte des Films alles andere als originell. Inwiefern kann er uns trotzdem überraschen? Denn obgleich der Jazz und dessen Musiker im Film Noir nur selten eine Rolle spielten, war auch diese Sphäre dem Filmstil nicht fremd. In Anatole Litvaks Blues In The Night (USA 1941) schlägt sich eine Jazzband unter Leitung des Pianisten Jigger Pine (Richard Whorf) mehr schlecht als recht durch die USA. Auch hier geht es darum einen Verbrecher zu überführen. In John Hoffmans The Crimson Canary (USA 1945) verkörpert Noah Beery jr. den Trompete spielenden Bandleader Danny Brooks, der in Kalifornien unter Mordverdacht gerät und auf eigene Faust ermitteln muss. In Terence Fishers Face The Music / The Black Glove (UK 1954) ereilt den in London lebenden, US-amerikanischen Trompeter James Bradley (Alex Nicol), noch ein Musiker unter Mordverdacht an einer Frau und sie ebenso eine Sängerin, das gleiche Schicksal. Aber Makoto Wada variiert das altbekannte Szenario in einer Weise und mit einem Sinn für (schwarzen) Humor, so dass zumindest ich mich dem nicht entziehen konnte. In Realzeit hetzen die Flüchtigen durch das nächtliche Tokio und klammern sich auf ihrer teils haarsträubernden Odyssee an jeden Strohhalm, der sich ihnen bietet. Indessen Koji vor allem daran gelegen ist, sein zweites, für genau Mitternacht anberaumtes Konzert im Cotton Tail nicht zu versäumen, ist Linda der Ernst der für sie beide bedrohlichen Lage zu jeder Zeit bewusst.

 

So manövriert sich dieser japanische Neo Noir ins Fahrwasser von Martin Scorseses Die Zeit nach Mitternacht (USA 1985) und John Landis‘ Kopfüber in die Nacht (USA 1985), und das gelingt ihm überraschend gut. Round About Midnight hat Tempo und Witz, generiert sogar Spannung, indem er seine Figuren trotz Humors nicht zu Abziehbildern oder Knallchargen degradiert, und noch der Mord, der die Handlung überhaupt in Gang bringt, ist eine üble Sache. Bleibt vor allem die Frage, auch sie ist Teil der eingangs erwähnten Überraschung, warum solches Werk außerhalb Japans fast nicht zur Aufführung kam und warum es in den über 25 Jahren, die seit seiner Premiere ins Land zogen, nicht den Ruf eines Kultklassikers erwarb, der früher oder später ein westliches Publikum aufmerksam werden ließ. Hiroyuki Sanada war in den 90er Jahren ein im japanischen Kino längst etablierter Darsteller, und er liefert eine rundum überzeugende Leistung ab. Die aus Macao stammende Chinesin Michelle Reis hatte es dank Wong Kar Wais Fallen Angels (HK 1995) zu einer lediglich kurzfristigen Popularität gebracht. Round About Midnight ist kein Meisterstück, gehört aber zur Vielzahl kleinerer Produktionen der 90er, die man unbedingt wiederentdecken sollte, geraten deren Qualitäten im Zeitalter der US-Blockbuster von der Stange doch zusehends in Vergessenheit.

 

Eine (leider längst vergriffene) DVD-Edition (2007) der Tohokushinsha Film Corporation (TFC, Regionalcode 2) beinhaltet das Werk bild- und tontechnisch exzellent und im korrekten Bildformat mit dem japanischen Originalton und mit optional japanischen oder englischen Untertiteln, dazu den Kinotrailer, ein Making Of und einen TV-Spot als Extras.

 


 

Neo Noir | 1999 | International | Makoto Wada | Ittoku Kishibe | Jun Kunimura | Michelle Reis

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