No Good Deed

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
No Good Deed
Kategorie
Neo Noir
Land
GER/USA
Erscheinungsjahr
2002
Darsteller

Samuel L. Jackson, Milla Jovovich, Stellan Skarsgård, Doug Hutchison, Joss Ackland

Regie
Bob Rafelson
Farbe
Farbe
Laufzeit
94 min
Bildformat
Widescreen

 


 

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Der Polizeibeamte Jack Friar (Samuel L. Jackson) ist auf dem Grund seines Herzens ein verhinderter Cellist und übt auch heute Abend auf seinem Instrument. Er hat Urlaub und will morgen auf ein Musikfestival reisen, wo er mit anderen Hobbymusikern zusammen spielen wird. Als er später auf seinem Balkon steht, rennt seine Nachbarin Amy (Shannon Lawson) über die Straße und ruft ihm zu, dass ihre Tochter Connie (Emily VanCamp) wieder mal ausgerissen sei und sie deshalb seine Hilfe brauche. Friar versucht sich mit Hinweis auf seine Pläne aus der Affäre zu ziehen, aber schließlich willigt er ein, die 15jährige Connie bei ihrem Freund auf der Turk Street zu suchen. Am nächsten Morgen macht er sich mit einem Foto des Paares auf den Weg. In der Turk Street fragt er viele Leute ohne nennswerten Erfolg und hastet zu seinem Auto zurück, wo der Diabetiker Friar sich in Anbetracht eines heraufziehenden Gewitters erstmal eine Spritze setzen möchte. Aber die Ampulle ist leer und Friar schläft auf dem Fahrersitz ein. Als er wieder zu sich kommt, beobachtet er, wie eine ältere Dame (Grace Zabriskie) auf den Stufen zur Veranda ihres Hauses ausrutscht und der Inhalt ihrer Einkaufstüten sich über die Stufen in den Garten leert. Sofort eilt Friar herbei und hilft ihr, die Sachen ins Haus zu bringen, wo Mrs. Quarre ihn auf einen Tee einlädt und ihren Ehemann Mr. Quarre (Joss Ackland) vorstellt. Der Polizist möchte sich jetzt gern verabschieden, aber die beiden haben ein großes Interesse an seiner Suche nach einem Verdächtigen…

 

“Bob Rafelson's cinematic retelling of Author Dashiell Hammett's short story The House on Turk Street lacks the fine-tuned noir stylings, character depth, script polish, and technical prowess of the finest likeminded genre films”, schlussfolgert Martin Liebman in seiner Rezension des Films für Blu-ray.com. Im Juni 2002 hatte die 12 Millionen Dollar teure, deutsch-amerikanische Co-Produktion No Good Deed ihre Premiere auf dem Moskauer Filmfestival. 15 Monate später, im September 2003, wurde der Film sogar in Kinos in den USA aufgeführt, in Deutschland jedoch nie. Erst im Oktober 2006 brachte die Splendid Film GmbH, Köln, eine DVD-Ausgabe des Werks und dabei ist es bis heute geblieben. Wer wissen möchte, warum dieser letzte Spielfilm seines Regisseurs Bob Rafelson mit drei namhaften Stars in Hauptrollen derart ignoriert wurde, muss einfach 94 Minuten seiner Lebenszeit investieren und sich No Good Deed ansehen. Man versteht schnell, warum das Werk vollends floppte und sogar bei der eingeschworenen Gemeinde der Film-Noir-Freunde, die sich liebend gern dem Abseitigen und Obskuren verschreibt, aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen wurde. Es tut geradezu weh, das in aller Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen, denn im Rekurs auf seine literarische Vorlage und mit Blick auf die vorhandenen Ressourcen liegt ein weit besserer Film oft nur einen Steinwurf entfernt, scheint es. Doch die Dramaturgie lahmt und die Beziehungen der Charaktere erscheinen unglaubwürdig. Sicher, das Schauspiel Stellan Skarsgårds ist bemerkenswert, doch dasjenige Samuel L. Jacksons und Milla Jovovichs lässt eindeutig zu wünschen übrig. Am Ende ist der Film nicht furchtbar, er ist bloß durchschnittlich und verblüffend banal.

 

Sein Autor und Regisseur Bob Rafelson war ein ausgesprochener Freund des Film Noirs. Er verfilmte Vorlagen von James M.Cain, Raymond Chandler und eben Dashiell Hammett - von den drei wichtigsten Autoren des klassischen Film Noirs in den frühen 40er Jahren. Mit Blood and Wine - Ein tödlicher Cocktail (USA 1996) gelang ihm ein bis heute unterschätzter Beitrag zum Kanon des Neo Noirs, doch genau das lässt sich von No Good Deed nicht behaupten. Trotz Beteiligung des exzellenten spanischen Kameramanns Juan Ruiz Anchía (Haus der Spiele, USA 1987) hat No Good Deed streckenweise die Ausstrahlung eines Fernsehspiels. Seine Handlungslogik lässt vielerorts Fragen offen. Was für einen Unterschied macht es, dass Friar per Zufall auf Tyrones Bande stieß, so dass Erin (Milla Jovovich) ernsthaft außerhalb des Hauses nach Jacks verloren gegangenem Fahndungsfoto sucht?  Warum bemüht sich Jack Friar in ihrer Abwesenheit so gut wie gar nicht der Falle zu entkommen, die für ihn als Diabetiker unabsehbare Konsequenzen haben könnte? Neben den übertrieben wirkenden Spannungen innerhalb der Bande sind das nur zwei Aspekte, die offensichtlich haken. Hinzu kommt die fehlende Chemie zwischen Jackson und Jovovich - er blickt grimmig unbewegt und sie schaut unschlüssig aufgeregt, aber weshalb eigentlich? Das Cellospiel soll dem Charakter Friars nochmals eine besondere Facette verleihen, aber solcher Charakter bleibt eigentümlich abwesend… No good movie, leider nicht.

 

Gute DVD-Edition (2006) der Splendid Film GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat, dazu wahlweise die englische oder deutsche Tonspur, leider keine Untertitel und außer einer Trailershow auch keine Extras.

 


Neo Noir | 2002 | International | Bob Rafelson | Dashiell Hammett | Juan Ruiz Anchía | Samuel L. Jackson | Stellan Skarsgård | Grace Zabriskie

Gespeichert von Tonio Klein (nicht überprüft) am 19. September 2018 - 20:01

Permanenter Link

Hi, ich habe den Film sehr gemocht. Die von Dir kritisierten Dinge lassen sich auch positiv als B-Movie-Charme sehen, und war nicht auch schon bei einem guten Hitch die Logik zweitrangig? Für mich ist das ein angenehm archetypischer Film, der auch - so vermute ich - Archetypen statt Charaktere haben SOLL, also die Femme fatale (das ist doch mal eine legitime Nachfolgerin von Brigid O'Shaughnessy), den eher hineintaumelnden Cop, den Choleriker, den überlegten, aber sadistisch-dominanten Bandenchef etc. pp. Dass es stilistisch nichts zu meckern gibt, dürfte Konsens sein. Achten wir aber vielleicht doch noch etwas auf Erzähltechnik, dann bekommt das ganze eine m.E. durchdachte wie knochentrockene satirische Komponente, die mit Klischees geradezu spielt und mich sehr erfreut hat.

In einem eigentlich nicht komischen Film ließ sich stellenweise vor Lachen brüllen, etwa wenn Jovovich beim schon mehrfach verwendete Bild vom abgetrennten Zeh (man denke an The Big Lebowski) völlig unvermittelt den Spruch raushaut, sie bekomme jetzt 10 % Rabatt bei der Pediküre. Oder wenn aus Versehen auf einmal wer tot ist, ohne dass man ihm das Password entlockt hat. Hier kommt einfach ein nachdenklicher Mensch in einen absurden Strudel, das ist eine sehr vergnügliche Versuchsanordnung über den Irrsinn des Lebens, der daraus entsteht, dass Gauner eben auch nur Menschen sind. Ist das beim Malteser Falken groß anders, oder bei saftigen B-Perlen, an die man kaum Ansprüche an das (Psycho-)Logische stellt?

Schließlich fand ich die kammerspielartige Mache mit den vielen extremen Großaufnahmen sehr gut. Das gibt dem Film phasenweise tatsächlich etwas von Made for TV, aber es konterkariert eben auch den Oberflächenglanz. Da sehen wir erst die Jovovich, fast schon aufdringlich platt als Femme fatale auf die Sofalehne gegossen und die Beine so übereinanderschlagend, dass wir fürchten oder hoffen (je nach Sichtweise...), jetzt macht der Rafelson gleich noch einen auf Verhoeven und dessen Basic Instinct, nur platter. Aber in vielen Großaufnahmen sehen wir, dass dieses Gesicht eben alles andere als makellos ist, bei Jackson (bei dem das aber auch nicht neu ist) dito. Und das ergänzt sich ganz gut mit den Außenaufnahmen, bei denen sowas wie Landschaftstotalen nie vorkommen, sondern nur Un-Orte wie das Gelb-Blau einer Tankstelle, Hinterhöfe, Wände, eine allegorische Kleinstadt, ein Verkehrsstau, eine Grenze, die uns ebenfalls nicht einen orientierenden Überblick gewährt.

Schließlich möchte ich noch den Kunstgriff bemerken, dass Rafelson genau drei Mal nach einem Schnitt das Gegenteil von dem zeigt, was vorher angekündigt wurde. Das ist natürlich nicht neu, jemand sagt, ich mache dies und jenes ums Verrecken nicht, Schnitt, und schon macht er's. Aber hier scheint es Methode zu haben, über den schnellen Gag hinaus. Am Schluss sagt Jackson zu den Grenzern, sie sollen Jovovich festnehmen, sie geht OHNE Schnitt noch weiter, unbehelligt, Abblende. Das wirft doch die Frage auf, ist das jetzt Jacksons letztes Wort und müssen wir uns die Festnahme denken, oder sollen die drei Ellipsen sagen, dass es auch ohne sichtbare Ellipse heißt, das Gegenteil des Gesagten ist wahr und er wird sie NICHT festnehmen lassen? Das ist doch mal eine interessante Variante zur Bogart-/Astor-Finalszene des Malteser Falken. Somit war ich in allen Punkten hochzufrieden, und wenn man den Film als bewusstes (und m.E. extrem virtuoses) Spiel mit Versatzstücken sieht, dann stört auch nicht der Punkt, der mir am stärksten bei den Glaubwürdigkeitsmängeln aufgefallen ist. Halten ein paar popelige Nummernschilder wirklich eine aus allernächster Nähe abgefeuerte Gewehrkugel auf? Schwamm drüber.

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