Uma Thurman, Paul Dillon, Paul Richards, Steve Buscemi, Annabelle Gurwitch
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Das von Neonreklame erleuchtete New York am Abend des 23 Dezembers: In einer bizarren Modenshow tritt Laura (Uma Thurman) als Model für ein Feenkleid auf und bemerkt nicht, dass jener ältere Mieter aus ihrem Apartmenthaus, William Tilden (Paul Richards), sich ebenfalls unter den Zuschauern befindet. Der Impressario sucht die Menge durch allerlei Gerede aufzuputschen, und Laura steht im Konfettiregen und blickt über alle hinweg. In der Garderobe spricht Lauras Freundin Sue (Annabelle Gurwitch) sie auf ihre Ohhringe an, die Sue ganz offensichtlich ausgefallen und chic findet. Sie traut Laura allerdings nicht zu, sie geklaut zu haben, denn bezahlt habe sie sie ganz sicher nicht, dazu fehle es ihr an Kleingeld. Aber Laura gibt ihr zu verstehen, dass sie sie auf die altmodischeArt bekommen habe, von einem Verehrer. Am Eingang für die Models des Clubs erwartet Sue später ihr Freund (Lee Coleman), und Laura blickt ihnen versonnen hinterdrein, bevor sie sich selbst auf den Heimweg begibt. Zuhause lackiert sie sich an ihrem mit Modeschmuck und anderem Kram überfüllten Toilettentisch soeben die Fingernägel, als ihre Mutter (Barbara Linton) anruft. Zuerst versucht sie Laura von einem Jobangebot zu überzeugen, aber als jene dies vehement ablehnt, erwähnt sie, dass sie am Wochenende ja Geburtstag habe und ob sie damit rechnen könne, dass Laura sie besuchen käme. Ihre Tochter bejaht, während sie sich vor dem Spiegel eine dunkle Perücke über den Kopf zwängt, die ihre blonden Haare unter einem Pagenkopf verbirgt. Sie hat heute Abend noch etwas vor. Aber dafür muss sie eine andere werden…
Das ist ein tragischer Film. Doch hat die Tragik, von der ich schreibe, mit seinem Inhalt gar nichts zu tun. Tragisch ist der Film, weil man seinem damals knapp 30-jährigen österreichischen Autor und Regisseur Peter Ily Huemer die Begeistrung und das Bemühen anmerkt, mit solchem Neo Noir in die Fußstapfen von Amos Poes Subway Riders (USA 1981) und Jim Jarmuschs Permanent Vacation (USA 1980) zu treten. In erster Linie ist das ein Film über das Lebensgefühl in der Metropole New York, ein Portrait junger Drop-Outs, ultracooler Exzentriker ohne oder mit nur einem halben Job. Entweder träumen sie vom Ruhm als Rockmusiker oder adressieren gar keine Wünsche an ihre Zukunft und treiben durch ihr Leben - von Nacht zu Nacht. Darin ist alles unverbindlich, eine lose Sammlung zusammengeklaubter Gegenstände, welche der US-Kapitalismus und sein Bildungsbürgertum irgendwann einfach liegenließen. Eines nämlich eint sie: ihre Absage an den gesellschaftlichen Konsens, das implizite „Nein!“, das ihrem Lebensstil und der damit vermittelten Egalität zu eigen ist. Das Streben nach Sicherheit und Besitztum, die Gier nach Luxus und Anerkennung, indem man nach außen seinen Status kenntlich macht - all das interssiert sie nicht. Sie haben kein Vertrauen in die Zivilisation und deren sogenannte Hochkultur. Letztere ist für sie, Antihelden der Subkultur, nur eine Kulisse, vor der sie ihre eigenen Dramen inszenieren. Und doch ist der Dreh-und Angelpunkt ihres Daseins stets das Geld, ohne dass ihr Leben zum Kampf ums Überleben gerät, was sofort spürbar wird, schlittert einer aus der Gemeinschaft von Nachtschwärmern mal wieder “in trouble“ schlittert. In solches Biotop der New Yorker Subkultur hält Peter Ily Huemer also das Auge seiner Kamera und versucht mit einer 17-jährigen Uma Thurman, mit Paul Dillon (Matt Dillons Bruder) und mit Steve Buscemi den neonerleuchteten Nächten der Metropole eine Geschichte abzuringen. Denn sein Film ist keine Dokumentation, wie dem Publikum auch bei Wikipedia mitgeteilt wird: “Kiss Daddy Goodnight is a 1987 American neo-noir psycological thriller film.”
Mit dem Anspruch aber, und hierin besteht die Tragik, scheitert Huemer auf ganzer Linie, Als ein Drama funktioniert das Werk überhaupt nicht. Dazu fehlt es vor und hinter der Kamera spürbar an der notwendigen Kompetenz. Obwohl die Bildsprache von Bobby Bukowski (Rampart – Cop außer Kontrolle, USA 2011) und Douglas Cooper (Gibtown, USA 2001) Kompositionen von teils berückender Authentizität liefert und sogar Arto Lindsay am harschen, überaus passenden Soundtrack beteiligt war, bleibt Kiss Daddy Goodbye ein Thriller ohne Thrill, eine repetitive und fade Referenz an die lässigen Slacker vom Big Apple. Letzteres wirkt auf Dauer so ermüdend, dass die spannungsarme Handlung ohne nachvollziehbare Charakterzeichnung zu einem Portrait der Leere verkommt. Peter Ily Huemers Neo Noir ist in letzter Konsequenz einfach langweilig, weil er schlecht inszeniert und teils furchtbar schlecht gespielt ist. Trotz aller Offenheit für experimentelle und wagemutige Sequenzen sowie für die Lust am Rohen und Rauen, die der Independentfilm ja gern zelebriert, tat ich mich schwer das bis zum Ende durchzustehen. Und… gelohnt hat es sich nicht.
Von dem Film gibt es haufenweise DVD-Editionen (u.a. eine deutsche) von Billiganbietern, die sich alle gleichen: Sie beinhalten den Film selbst in weit unterdurchschnittlicher Bild- und Tonqualität mit dem original englischen Ton und ohne eine Synchronisation, ohne Untertitel und ohne Extras.