Yûjirô Ishihara, Mie Kitahara, Yukiko Todoroki, Shirô Ôsaka, Masumi Okada
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Im Handelshafen von Kobe, Japan, an einem sonnigen Sommertag: Als der Restaurantbesitzer Sutigaya (Jun Miyazaki) als Passagier eines Motorboots am Pier anlegt, überbringt ihm ein Mann die Nachricht, dass man ihn zu sprechen wünsche, und Sutigaya folgt dem Boten an Land. Als sie an einer Lagerhalle entlang auf einen am Quay wartenden Wagen zugehen, hebt sich der Zweischalengreifer des am Landungssteg montierten Ladekrans in die Höhe und trifft, als er umschwenkt, den überrascht aufschreienden Sutigaya tödlich… Der im weißen Anzug und mit Sonnenbrille auf der Beifahrerseite der Limousine wartende, vor kurzem aus Tokio angereiste Yakuza-Gangster Jirô Tominaga (Yûjirô Ishihara) sieht dem Unfall unbewegt zu und moniert gegenüber dem auf der Fahrerseite wartenden, zweiten Zeugen, warum Leute heutzutage nicht halbwegs cool sterben könnten, was der Angesprochene für widerwärtig hält. Jirô macht sich auf den Weg zum Clan von Matsuyama (Hiroshi Nihon'yanagi), der ihm in Kobe Unterschlupf gewährt, nachdem er in Tokio fünf Gangster einer rivalisierenden Gantg umbrachte. Kurz vor der Ankunft rettet er einen Jungen, der fast von einem Taxi angefahren worden wäre und züchtigt den Fahrer mit einigen Ohrfeigen. Auch der Gauner Taabô (Masumi Okada) mischt sich ein, aber das sieht Jirô nicht gern, und er hält ihn zurück. Police Detective Noro (Shirô Ôsaka) lungert ebenfalls vor der Bar herum und bemerkt gegenüber Jirô, dass er ihn gar nie für solch einen Menschenfreund gehalten habe…
Solcher für die Nikkatsu Corporation von Toshio Masuda geschriebene und inszenierte Film Noir ist zwar kein Remake von Julien Duviviers Pépé le Moko – Im Dunkel von Algier (FRA 1937), doch eine Variation von dessen Geschichte, die eindeutig erkennbar bleibt. Ein Gangster im Exil verliebt sich in eine junge Frau aus bürgerlichem Haus, Keiko Sugita (Mie Kitahara), indessen seine frühere Geliebte, eine Tänzerin im Nachtclub Blue Harbour namens Mami (Sanae Nakahara), ihn zurückzugewinnen sucht. Als der ebenso schleimige wie hinterhältige Detective Noro mitbekommt, dass Jirô, den er gern als Mörder vor Gericht brächte, für Sutigayas Schwester Keiko in Liebe entbrannt ist, beschließt er ihm eine Falle zu stellen… Das ist bis auf die Zuspitzung Keikos als Schwester des Mordopfers Sutigaya auch das Gerüst für Julien Duviviers Meisterstück des Poetischen Realismus im Frankreich der ausgehenden 30er Jahre. Dessen Stärke war die Personalie des melancholischen, heimatlosen Edelganoven Pépé le Moko selbst, der in jener nordafrikanischen Metropole, die ihm fern von Paris Schutz bot, unter Einheimischen zu einer Gallionsfigur der Unabhängigkeit und Revolte wider die Obrigkeit geworden war – fast ein Robin Hood der Unterwelt des 20. Jahrhunderts. Jirô Tominaga ist ein Yakuza-Gangster, welcher zwar von einem bürgerlichen Leben träumt und zu einer Frau mit ausgeprägt starker Persönlichkeit in Liebe entbrennt, zu guter Letzt aber bleibt, der er schon in Tokio und der er nach eigener Einschätzung immer zu sein bestimmt war. Anders ausgedrückt: Yûjirô Ishiharas jugendlicher Gangster und Kettenraucher kann mit all seinem coolen Gehabe und in seinem weißen Anzug dem durch und durch erwachsenen Jean Gabin als ungekröntem Herrscher über die Kasbah in Algier nicht das Wasser reichen. Vor allem behandelt Jirô Frauen, die ihm verfallen, großteils wie Dreck und zeigt sich nicht bloß in der ersten Szene als empathielos, arrogant, brutal. Mir lag er zu keinem Zeitpunkt des Films am Herzen.
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Die Stärke der Film-Noir-Produktionen der Nikkatsu Corporation in der zweiten Hälfte der 50er Jahre liegt im exzellenten Gespür für Schauplätze, hier die Hafenstadt Kobe, und in der erstklassigen Kameraarbeit, in dem Fall durch Shinsaku Himeda (Schweine, Geishas und Matrosen, JPN 1961) Auf solchen Ebenen ist Toshio Masudas Film Noir attraktiv und zeigt sich als Filmklassik der gehobenen Art. Seien es die Choreographie der Tanzszenen im Blue Harbour oder die Schwenks über die Dächer der Stadt am Meer in der Hitze jenes Sommers - all das sieht im Breitwandformat und in Schwarzweiß erstklassig aus. Leider sind jedoch nicht alle Darsteller so versiert wie z.B. Hideaki Nitani. Hauptdarsteller Yûjirô Ishihara war ein populärer Sänger und hatte dank seiner Leistung in Die gelbe Venus von Kamakura von Kô Nakahira (JPN 1956) den Status eines Teenager-Idols erworben. In Red Pier / The Left Hand Of Jirô zeigt seine Figur wenig Facetten und sein Schauspiel tut es auch nicht. Womöglich lag es daran, dass Ishihara 1958 in insgesamt 10 (!) Filmen der Nikkatsu Corporation zu sehen war - in 8 davon in einer Hauptrolle. Zwei Jahre später heiratete er Mie Kitahara, mit der er seit 1956 in vielen Filmen aufgetreten war und die ihre Karriere als Schauspielerin daraufhin aufgab.
Toshio Masudas Red Pier / The Left Hand Of Jirô erschien in Großbritannien zusammen mit Voice Without a Shadow (JPN 1958) und The Rambling Guitarist (JPN 1959) auf Blu-ray disc (2016, codefree) via Arrow Video/MVD Entertainment Group in der 3-BD-Box Nikkatsu Diamond Guys Volume 1. Der Film ist ungekürzt und im Originalformat mit japanischem Originalton und mit englischen Untertiteln zu sehen, bild- und tontechnisch exzellent restauriert. Die Extras beinhalten die original Kinotrailer, Einführungen in die Filme von Filmjournalist und Buchautor Jasper Sharp sowie Werbematerial. Dazu gibt es ein 40-seitiges Booklet inklusive Stuart Galbraith IV's Aufsatz Voices Behind the Shadow, Mark Schillings Essay Tough Guy, Nice Girl, Hard Choice: Red Pier, sowie Tom Meses North by Northwest: The Timeless Adventures of a Rambling Guitarist plus Produktionsnotizen. Eine hervoragend konzipierte Edition!