Angel Street

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Angel Street
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1992
Darsteller

Robin Givens, Pamela Gidley, Ron Dean, Joe Guzaldo, Michael Cavanaugh

Regie
Rod Holcomb
Farbe
Farbe
Laufzeit
93 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 © Warner Bros.

Chicago, Illinois: Als zur Mittagsstunde die Kinder und Jugendlichen aus der Schule auf die Straße strömen, ist unter ihnen auch die 9-jährige Spencer Donally (Kimberly Dal Santo). Ihr Heimweg führt sie über Brachflächen jenseits von einem Bahngelände und Industrieruinen, eine mehr als zweifelhafte Nachbarschaft. Wie auch andere Kinder stellt sie sich am Zeitungskiosk von Karubian (Robert Breuler) an, um sich einen Bonbon geben zu lassen. Im Unterschied zu den anderen kann sie dafür nicht bezahlen, erhält aber trotzdem einen. Als unterhalb einer U-Bahntrasse über Schrott balanciert, hält neben ihr ein 1979er Lincoln Town Car und der Fahrer öffnet die Beifahrertür und fordert sie auf einzusteigen… Auf einem Rockkonzert bewegt sich Police Detective Dorothy Paretsky (Pamela Gidley) aus dem Konzertsaal zu den Toiletten, wo sie sich in die Schlange für die Damen einreiht. Sie beobachtet, wie ein Afro-Amerikaner in Lederkluft die Tür zur Herrentoilette aufstößt und von innen mitgeteilt bekommt, dass Rufus heute nicht käme. Darauf stellt er sich neben die Tür und sorgt dafür, dass niemand mehr die Toilette betritt. Paretsky wird misstrauisch, händigt der neben ihr wartenden Blondine (Hynden Walch) ihre Zigarette aus und begibt sich zum Telefon. Kaum hat sie den Hörer abgenommen, fallen in der Herrentoilette Schüsse. Einer trifft den schwarzen Dealer durch die geschlossene Tür, als er eben die eigene Waffe zückt. Leztere schnappt sich nun Paretsky, tritt beherzt aufs Herrenklo und nimmt die Verfolgung auf…

 

“I’m saying, black killed by blacks is viewed by whites as inexpensive population control. I’m saying, black life is cheap.” Das Drehbuch aus der Feder von John Wells (Animal Kingdom, USA 2016-2019) legt seinen Protagonistinnen starke Sätze in den Mund, womöglich zu stark fürs US-Fernsehen der damaligen Zeit, das mit David Lynchs und Mark Frosts Twin Peaks (USA 1990-1991) zwar den Startschuss einer neuen Ära vernommen hatte, mehr aber noch nicht. Zudem waren Frauen als Polizeibeamte in zentraler Position im Fernsehen bis dahin eine Seltenheit. Zwar hatte es die mit Beverly Garland als Policewoman Patricia “Casey“ Jones einst exquisit besetzte TV-Serie Decoy (USA 1957-1958), die dank Angie Dickinson in 4 Staffeln populäre Serie Police Woman (USA 1974-1978) und dann die polierte CBS-Produktion Cagney & Lacey (USA 1981-1988) gegeben, doch waren ihre Darstellerinnen natürlich Weiße. Mit der Afro-Amerikanerin Robin Givens als Police Detective Anita King (Robin Givens), die dank ihres Protegés und Liebhabers Thurman D. Nickens (Ernie Hudson), stellvertretender Bürgermeister der Stadt Chicago, an einen Posten in der Mordkommission gelangt, schlug die US-amerikanische TV-Geschichte ein neues Kapitel auf. Allerdings eines, von dem schlicht niemand Notiz nahm. Der hier mit der Laufzeit von 93 Minuten vorgestellte Fernsehfilm Angel Street erschien via Warner Bros. Home Entertainment 1993 auf VHS-Videokassette. Ursprünglich war die Handlung jedoch auf 120 Minuten angelegt und bildete die am 15. September 1992 ausgestrahlten ersten zwei, unbetitelten Pilot-Episoden der Serie. Zwei weitere einstündige Folgen wurden als Midnight Times A Hundred und The Blonde In The Pond am 26. September und am 3. Oktober 1992 via CBS TV Network im US-Fernsehen gezeigt. Die nächsten vier, bereits fertiggestellten Episoden verschwanden auf Nimmerwiedersehen im Archiv der Warner Bros. Television Studios: die Serie wurde eingestellt. Warum? Darüber lässt sich nur mitmaßen. 

 

“Out on the mean streets, where King is called “nigger” and Paretsky a “dyke,” both women encounter a cynical, distrusting populace that regards police as enemies. The depiction is rare for a TV genre”, schrieb Howard Rosenberg für die Los Angeles Times nach der Premiere der ersten Episoden. Anita King arbeitet mit ihrer Kollegin Dorothy Paretsky, die ihrerseit polnische Wurzeln hat. Es dauert, bis sich die Ermittlerinnen zusammenraufen und sowohl in der von eitlen Machos bevölkerten Homicide Division als auch auf den Straßen Chicagos sich behaupten können. Rassismus und Sexismus in einer von harten Klassenunterschieden und von sozialem Elend geplagten Metropole der USA, sie kennzeichnen Angel Street mehr als die Kriminalfälle, an denen die Frauen arbeiten (müssen). Ich kann mir vorstellen, dass eine solche TV-Serie in den USA unter Präsident George H.W. Bush einem Mainstream-Publikum viel zu viel Sozialkritik und zu wenig Unterhaltungswert bot, als dass sie eine positive Resonanz hervorrief.  Die frühen 90er waren die Zeit von aalglatten Formaten à la Law & Order (USA 1990-2010) oder Matlock (USA 1986-1995), darin Akademiker in bildungsbürgerlichen Kulissen das Gut-versus-Böse-Schema der 30er Jahre rekreierten. Angel Street folgt der von Marion Van Peebles mit New Jack City (USA 1991), von Bill Duke mit Harlem Action (UK/USA 1991) oder von Carl Franklin mit One False Move (USA 1991) etablierten Neuauflage eines afro-amerikanischen Neo Noirs. Dieser fand im US-Kino seiner Zeit eine Nische, für die das US-Fernsehen aber womöglich keinen Sendeplatz vorsah. Leider erweist sich der von Routinier Rod Holcomb inszenierte Pilotfilm zwar als engagiert, dramaturgisch jedoch als wenig zupackend, weshalb er hier bei allem Respekt meinerseits knapp unterhalb der 4-Sterne-Wertung bleibt.

 

Im Anschluss an die Aufführungen der ersten vier Episoden im US-Fernsehen war der Pilotfilm Angel Street in den USA und in einigen europäischen Ländern, u.a. in der Bundesrepublik Deutschland, mit 93 Minuten Laufzeit von als VHS-Videokassette erhältlich. Eine BD- oder DVD-Edition dessen oder gar von allen 60-minütigen Folgen der TV-Serie gibt es bis heute (2025) allerdings nicht.

 


 

Neo Noir | 1992 | USA | Rod Holcomb | Michael Shannon | Pamela Gidley | Robin Givens

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