Stunden der Angst

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
The Penthouse
Kategorie
Neo Noir
Land
USA/CAN
Erscheinungsjahr
1989
Darsteller

Robin Givens, David Hewlett, Cedric Smith, Donnelly Rhodes, Robert Guillaume

Regie
David Greene
Farbe
Farbe
Laufzeit
93 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 

Selbst noch ein Kind sah Joe Dobson (David Hewlett) eines Nachts zu, wie seine Mutter in den Tod stürzte. Als junger Erwachsener ist der tief traumatisierte Mann Insasse des Regional Psychiatric Hospitals und hockt im Korridor auf dem Boden, wo ein Pfleger aktuell einen anderen Patienten beruhigt und ein weiterer Mann im weißen Kittel eine Tür entriegelt und ins Treppenhaus verschwindet. In diesem Augenblick beginnt ein dritter, übergewichtiger Mann namens George zu schreien. Der Arzt kehrt in den Korridor zurück, wo er mit dem stets anwesenden Pfleger George in dessen Zelle zurückbringt. Allerdings vergisst er die Tür, welche er zuvor noch verschlossen hatte, erneut von innen zu verriegeln, was Joe Dobson aus dem Augenwinkel realisiert. Ohne Hast bewegt er sich in Richtung des Treppenhauses, dass er flugs hinabsteigt, bevor er durch eine Fensterscheibe hindurch in die nasskalte Dunkelheit des Abends springt und davonrennt. In einer Telefonzelle wählt Hobson mithilfe einer handschriftlichen Notiz eine Nummer, und im Penthouse des reichen, afro-amerikanischen Musikproduzenten Eugene St. Clair (Robert Guillaume), der selbst nicht daheim ist, klingelt es. Tochter Dinah gibt der Haushälterin Sarah zu verstehen, dass sie das Gespräch annähme, doch am anderen Ende der Leitung bleibt es still. Unfähig zu sprechen, lauscht Joe Hobson der Frau, in die er als Teenager obsessiv verliebt war…

 

Eine Geiselnahme und die Erfahrung solcher Situation als lebensbedrohlich für die entweder ganz zufällig oder bewusst gewählten Opfer war schon im klassischen Film Noir ein wiederkehrendes Handlungselement. Von Fergus McDonells Die Stimme des Gewissens (UK 1948) und Felix E. Feists The Threat (USA 1949) über William Wylers An einem Tag wie jeder andere (USA 1955) bis zu William Ashers The Shadow On The Window (USA 1957) finden sich Männer, zumeist Straftäter auf der Flucht, samt ihren Geiseln genötigt, in einer für alle Beteiligten klaustrophobischen Situation auszuharren. Genau das ist auch das Handlungsmuster in David Greenes Fernsehfilm Stunden der Angst nach dem Roman The Penthouse (EA 1983) des britischen Autors Elleston Trevor. Allerdings kennen sich Täter und Opfer aus den Tagen ihrer Jugend, und als der wegen seines Traumas dauerhaft in eine psychiatrische Klinik eingewiesene Joe Dobson in das Apartment Dinah St. Clairs eindringt, ahnt sie erst einmal nichts Böses und lässt ihn sogar eigenhändig ein. Aber der gute Joey aus alten Schul- und Kindertagen hat zu dem Zeitpunkt den Sicherheitsbeamten Michael (William S. Taylor), der ihn zuvor abgewiesen hatte, kaltblütig erstochen, und es war auch nicht das erste Mal in seinem Leben, dass er einen Menschen ermordete. So nimmt das Drama seinen Lauf… Leider ist solches Drama mehr als vorhersehbar und das obwohl das Drehbuch aus der Feder William Woods und Frank de Felitas, dessen Dialoge im Ganzen wenig originell ausfallen, vereinzelt sogar pointiert daherkommt. So nimmt Joe Dobson in einem Telefonat mit dem offiziellen Verhandlungsführer, Police Lieutenant Nick Valeri (Donnelly Rhodes), Bezug auf Sidney Lumets legendären Neo Noir Hundstage (USA 1975): “So, do you shoot me here or wait till we get to the airport?“ – “No Joe... It’s not like that, Joe.“ – “I saw that movie too, pinhead.”

 

Indessen die ersten 40 Minuten halbwegs unterhaltsam sind, wird es in der zweiten Hälfte zäh. Es liegt daran, dass der Film seinen Protagonisten, den Mörder und Geiselnehmer Joe Dobson, zu einer vielschichtigen, gepeinigten und doch spannenden Persönlichkeit auszugestalten versucht und dabei den Bogen überspannt. Besonders in Anflügen von Pseudophilosophie und Spiritualität wirkt Dobson geradewegs unglaubwürdig. Bis zuletzt blieb mir ein Rätsel, worauf die Autoren und der Regisseur hinauswollten. Gibt es hier einen sozialkritischen Subplot, der schon damit abhebt, dass Dinah St. Clair Afro-Amerikanerin und Joe Dobson “White Trash“ und Psychopath ist? Sollen die Polizeibeamten etwa deshalb so stereotyp erscheinen, wie sie es hier durchweg sind? Ist das Ende aus einem ähnlich gelagerten Grund so dramatisch und tragisch? Der Film bleibt die Antworten schuldig und erweist sich im Ganzen bloß als fade und durchschnittlich. Das beeinträchtigt vor allem auch die Beziehung von Täter und Opfer. Müsste Dinah nicht deutlich mehr Angst und womöglich Panik verspüren, nachdem genau sie Leiche des Mordopfers Michael in der Fahrstuhlkabine entdeckte? Noch eine Frage mehr… Robin Givens‘ und David Hewletts Leistungen erweisen sich damit jedoch als vergeudet. Regisseur David Greene (Skandal bei Scotland Yard, UK 1968), ein gebürtiger Brite, konnte am Ende seines Lebens auf eine 50-jährige Karriere in Kanada, in den USA und in Großbritannien zurückblicken. Stunden der Angst, der unter diesem Titel irgendwann auch im bundesdeutschen Fernsehen lief, gehört nicht zu seinen Sternstunden.

 

Im Anschluss an seine Aufführungen im Fernsehen war die TV-Produktion in den USA (und auch in einigen europäischen Ländern) als VHS-Videokassette erhältlich. Ein kanadische DVD (2006, Regionalcode 1) der Direct Source Special Products Inc. bringt als eine Lizenz der Freemantle Media Ltd. das Werk unterm Originaltitel The Penthouse ungekürzt und im Originalformat, bild- und tontechnisch einwandfrei und mit dem original englischen Ton ohne Untertitel und ohne Extras.

 


 

Neo Noir | 1989 | USA | David Greene | Robin Givens

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