Ruhet in Frieden – A Walk Among The Tombstones

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Bewertung
***
Originaltitel
A Walk Among The Tombstones
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
2014
Darsteller

Liam Neeson, Dan Stevens, David Harbour, Boyd Holbrook, Ólafur Darri Ólafsson

Regie
Scott Frank
Farbe
Farbe + s/w
Laufzeit
110 min
Bildformat
Widescreen
 

 

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© Universum Film GmbH
 
New York City, 1991: Police Detective Matthew Scudder (Liam Neeson) hat das Vertrauen seines Partners Danny Ortiz (Maurice Compte) verspielt. Wiederholt besucht er während der Dienstzeit seine Lieblings-Bar, um sich vom Wirt (Patrick McDade) ein alkoholisches Frühstück servieren zu lassen. An seinem Platz hört er, wie zwei Jungs das Lokal betreten, den Inhaber überfallen und kaltblütig erschießen. Scudder ist zwar angetrunken, nimmt aber die Verfolgung auf und erschießt die beiden inklusive ihres Fahrers. Dabei kommt es zu einem unvorhergesehenen Zwischenfall, der Scudders Leben von Grund auf verändert… Acht Jahre später ist Matt Scudder ein Privatdetektiv ohne Lizenz und Mitglied einer Therapiegruppe der anonymen Alkoholiker. Hier lernt er einen Veteranen des Irak-Kriegs, den Kunstmaler Peter Kristo (Boyd Holbrook) kennen. Eines Tages sucht Kristo den zurückgezogen lebenden Scudder in einem Restaurant auf und erklärt, dass sein Bruder Kenny (Dan Stevens) mit ihm sprechen möchte. Dem erfahrenen Scudder ist schnell klar, was die Stunde geschlagen hat, als er von Peter zu einer feinen Adresse bugsiert wird, vor deren Tür jener sich flugs verabschiedet. Kenny Kristo ist Drogenhändler, einer mit viel Geld, doch über den Verlust seiner Frau Carrie (Razane Jammal) hilft ihm das nicht hinweg. Sie war entführt worden und Kenny Kristo zahlte 450.000 US-Dollar, ohne die Polizei zu informieren. Tatsächlich erhielt er seine Frau zurück, in Stücke zerteilt im Kofferraum eines Autowracks…
 
“A good name is very important. One with real flavor like Sam Spade or Philip Marlowe.“ Der Schriftsteller Lawrence Block hat bis heute 17 Romane über seinen Privatdetektiv Matthew Scudder verfasst. A Walk Among The Tombstones war der zehnte und erschien 1992. Im Jahr 1985 hat Hal Ashby den seinerzeit fünften der Reihe, Eight Million Ways To Die (EA 1982), verfilmt und besetzte die Rolle Matthew Scudders mit Jeff Bridges. Doch Ashbys Film wurde verrissen und floppte. Drehbuchautor Scott Frank sammelte in den 90er Jahren seinerseits Erfahrungen mit dem Neo Noir – von Kenneth Branaghs Schatten der Vergangenheit (USA 1991) bis zu Steven Soderberghs Out Of Sight (USA 1998). Angeblich hatte er das Drehbuch zu Ruhet in Frieden - A Walk Among The Tombstones bereits 2002 fertig gestellt. Damals sollte Joe Carnahan im Anschluss an Narc (USA 2002) die Regie übernehmen; Harrison Ford war für die Rolle Matt Scudders im Gespräch. Zwölf Jahre später setzte Frank das Projekt selbst in die Tat um; seit Die Regeln der Gewalt (USA 2007) ist er auch als Regisseur tätig. Den abgehalfterten Ex-Cop und Detektiv ohne Lizenz mit Liam Neeson zu besetzen, war ein cleverer Schachzug. Neesons Karriere als Filmschauspieler reicht bis in die 70er zurück; seit der Hauptrolle in Steven Spielbergs Schindlers Liste (USA 1993) ist er international bekannt. Doch mit 96 Hours – Taken (USA 2008) ist der heute 62jährige ein “später“ Actionstar geworden, so wie Charles Bronson in den 70er und 80er Jahren. Das Rezept dieser Wandlung zeigt sich auch in Ruhet in Frieden - A Walk Among The Tombstones. Neeson agiert ähnlich wie seinerzeit Gene Hackman häufig als der besonnene, weltweise Nachbar jenseits des Gartenzauns. Bis er in eine andere Gangart fällt und auf eigene Faust in unserer kaputten Welt für (etwas) Recht und Ordnung sorgt.
 
Und damit ist schon die zentrale Schwäche eines Films beschrieben, dem es nicht an thematischer Härte, an beeindruckenden Schauplätzen und an regengetränkter, nachtschwarzer Schwermut fehlt. Ruhet in Frieden - A Walk Among The Tombstones ist enorm brutal, auch wenn sich die wirklich schlimmen Bilder nur im Kopf des Zuschauers entwickeln. Er ist ein Film über zwei Serienkiller, die als Folterknechte vor nichts zurückschrecken. Jene sind als Figuren zwar anwesend und tragen Namen, erweisen sich jedoch als völlig charakterlos. Vor allem aber ist in der Adaption des Buches Matt Scudder kein Antiheld, als den der Film seinen Protagonisten in den starken ersten 15 Minuten zu vermarkten sucht. Er ist kein Philip Marlowe oder Sam Spade, wie sie von Scudders obdachlosem Assistenten TJ (Brian “Astro“ Bradley) in einem Dialog über das Wesen seiner Arbeit erwähnt werden. Scudder entpuppt sich als der für Hollywood schon immer typische Held: raue Schale, weicher Kern. Derlei wird nicht erst im Schlussbild deutlich, das ihn auf einer Zeichenskizze TJs im Kostüm eines Comichelden zeigt. Abgesehen von dem banal märchenhaften Schluss gibt es gerade auch im Finale einige Ungereimtheiten, die sich zu der einen großen des ganzen Films addieren. Der geht davon aus, dass die New Yorker Drogenbarone sich ohne Scudder gegen zwei üble Burschen nicht zu wehren wüssten, weil sie nur ein, zwei Leibwächter ohne Grips zur Verfügung haben, an dem es im Übrigen auch ihnen selbst mangelt. Kurzum: trotz guter Schauspieler ein durchschnittlicher Thriller im Neo-Noir-Gewand, der weit mehr verspricht, als er hält.
 
Sehr gute BD- und DVD-Editionen (2015) der Universum Film GmbH, München, mit dem Film ungekürzt im Originalformat, deutsche und englische Tonspur, wahlweise deutsche oder englische Untertitel, als Extras ein Featurette namens Ein Blick hinter die Kulissen und eins über die Figur des Privatdetektivs Matt Scudder, dazu 8 verschiedene Kurzinterviews mit Schauspielern und anderen Mitwirkenden sowie den Kinotrailer. Topp!
 

Neo Noir | 2014 | USA | Scott Frank | Scott Frank | Boyd Holbrook | Liam Neeson | Ólafur Darri Ólafsson

Gespeichert von Gast (nicht überprüft) am 27. Dezember 2015 - 21:30

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Ich habe den Film erst kürzlich gesehen und fand ihn an sich recht gut. Sicherlich hält der Plot hier und da Ungereimtheiten bereit, den jugendlichen Sidekick hätte man wohl auch besser weggelassen. Scudder ist als Charakter allerdings recht sympathisch, da er kein Superheld ist und auch Fehler macht. Warum er allerdings "kein Phil Marlowe" sein soll, ist nicht ganz verständlich, denn auch Marlowe ist doch in Chandlers Büchern ein sehr moralischer Charakter, der einen sensiblen Charakter hinter Zynismus verbirgt. Scudder ist vielleicht weniger abgebrüht, seine Todessehnsucht wird nur in einigen Momenten angedeutet und hätte besser ausgearbeitet werden können. Aber ein langer, ruhiger (und dennoch aus meiner Sicht oft spannender) Neo-Noir mit einem ausgezeichnet Look, der beste Genre-Atmosphäre verbreitet.

Trotz einiger Schwächen sollte man den Film nicht unterschätzen. Schön, dass sowas heute noch ab und an mal gedreht wird.

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