Mädchen verschwinden

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Port du désir
Kategorie
Film Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
1955
Darsteller

Jean Gabin, Andrée Debar, Henri Vidal, Édith Georges, Leopoldo Francés

Regie
Edmond T. Gréville
Farbe
s/w
Laufzeit
94 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 

Die Hafenstadt Marseille in Südfrankreich, Hauptstadt des Départements Bouches-du-Rhône und der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur: Heute Morgen erhält der Reeder Monsieur Black (Jean-Roger Causimon) einen Anruf von der Hafenmeisterei, der für ihn überraschend kommt. Schnell zieht er sich den Gehrock an und setzt einen Hut auf und fährt mit seinem 1953er Peugeot 203 zum Hafen. Hier steigt er in ein Wassertaxi um und gelangt damit zur Hafenmeisterei, wo er vom zuständigen Beamten informiert wird, dass Blacks Frachter Venus, der in der Hafeneinfahrt gesunken ist, aufgrund der Strömung seine Position verändert habe. Er läge jetzt in 12 Metern Tiefe, was in Anbetracht seiner Beweglichkeit eine Gefahr für die Schifffahrt bedeute. Also werde man das Wrack bergen. Ein Spezialist aus Brest, Kapitän Lequévic (Jean Gabin), sei für einen Zwischenstopp vor Ort und könne sich der Bergung annehmen. Durch das Panoramafenster der Aussichtsplattform sei Lequévics Bergungsschiff bereits an der Unglücksstelle sichtbar. In Anbetracht der glücklichen Umstände scheint Monsieur Black wenig zufrieden, als Lequévic hinzutritt und sich dem Reeder und Inhaber der Venus vorstellt. Er erklärt den Versammelten, dass sein Taucher leider zurzeit nicht auffindbar sei, da er eine Neigung fürs Nachtleben habe. Er möchte gern telefonieren, aber die Leitung ist besetzt. Monsieur Black lädt Kapitän Lequévic ein, ihm in die Hafenkneipe L’ancre de Marine zu folgen, wo er telefonieren könne und sich sicher wohlfühlen werde…

 

Mitte der 50er Jahre war Jean Gabin eine Ikone des französischen Kinos, ein internationaler Filmstar von Rang und Namen, ungemein fleißig. Allein 1955 spielte er mit 51 Jahren in insgesamt sechs Produktionen. In fünf von ihnen bekleidete er die männliche Hauptrolle, u.a. in Mädchen verschwinden. Um ehrlich zu sein, verschwindet nur eine Frau, eine Prostituierte namens Suzanne aus dem ominösen Etablissement L’ancre de Marine - Bar, Nachtclub, Hotel, Restaurant und Bordell in einem. Als ihre Schwester Martine (Andrée Debar) in Marseille auftaucht, um nach ihr zu suchen, stellt sich heraus, dass Suzanne die Geliebte des Reeders Black war und von dessen Geschäften mehr wusste, als ihr guttat. Letzterer hat kein Interesse daran, seinen Frachter Venus vom Meeresgrund zu bergen, darin sich keine Orangen, wie er offiziell angab, sondern geschmuggelte Zigaretten in wasserdichten Kisten befinden. Mit dem Lebemann und Bergungstaucher Michel zwischen Martine und der Striptease-Tänzerin Lola (Édith Georges), der von Black bestochen wird, um das Auffinden der Zigaretten (und Suzannes Leiche, von der er nichts ahnt) im versenkten Frachtschiff durch Kapitän Lequévic zu verhindern, wird  klar, dass Jean Gabin, der in der Besetzungsliste an erster Stelle steht, in dieser Kriminalgeschichte nicht die zentrale Figur ist. Es ist letzten Endes nicht allzu bedauerlich, denn die Erzählung ist unterm Strich eh zu dünn gestrickt, um über die Laufzeit von 94 Minuten viel Substanz zu beweisen. Genaugenommen passiert nach der ersten Viertelstunde, die uns ins Bild setzt, für einige Zeit so gut wie nichts, bis der Film Fahrt aufnimmt, Monsieur Black unter Druck gerät und sein schmutziges Treiben fortsetzen muss. Dafür ist er atmosphärisch stark, was am Drehort Marseille und an zwei Exkursionen ins Unterwasserreich liegt, wo ein Tauchgang das Geheimnis der Venus jeweils ergründen soll. Kamera-As Henry Alekan (Ein hübscher kleiner Strand, FRA/NL 1949) konnte dem Werk zwar nicht ganz seinen Stempel aufprägen, erweist sich in der Enge des L’ancre de Marine jedoch als beweglicher und kreativer Geist mit dem Blick fürs Wesentliche und für Details.

 

 

Das Finale ist derart übertrieben, dass es bei Cineasten der Filmklassik heute wieder Liebhaber findet. Mit Leopoldo Francés spiel ein Schwarzer eine sowohl tragende als auch positiv besetzte Rolle, und auch dessen Familie unterstützt ein Liebespaar auf der Flucht vor ihren Häschern. Im L’ancre de Marine, darin sind sich die Betreiberin und ihre Gäste einig, ist für Rassismus kein Platz. Vorehelicher Sex wird wie in Basil Deardens Unterwelt (UK 1951) nicht als verwerflich verurteilt und sogar mit einem Augenzwinkern goutiert: im Hollywood der McCarthy-Ära undenkbar. Jean Gabin blieb bis Ende des Jahrzehnts extrem umtriebig. Das Kinopublikum des Jahres 1956 sah ihn einmal mehr in fünf Filmen. Henri Vidal starb 1959 mit nur 40 Jahren an Herzversagen; auch Édith Georges wurde lediglich 50 alt und Regisseur Edmond T. Gréville segnete mit 59 das Zeitliche. In der Rolle der Inhaberin des L’ancre de Marine sieht man Gaby Basset, Jean Gabins Frau aus erster Ehe, die 1931 geschieden wurde. Die beiden traten in den 50ern wiederholt gemeinsam vor die Kamera und haben auch hier einige exquisite Szenen miteinander. Ich müsste dem Film keine vier Sterne geben, drei wären ausreichend. Aber ich lasse mich von der Atmosphäre Marseilles bestechen und habe außerdem eine Schwäche für Andrée Debar.

 

Unter dem Originaltitel Port du désir gibt es in Frankreich via M6 Films oder Warner Home Vidéo gleich mehrere DVD-Editionen (2005, 2006 und 2009) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch jeweils gut (nicht brillant) restauriert - das Ganze inklusive des französischen Originaltons ohne Untertitel, mit dem französischen Kinotrailer, Produktionsnotizen und dem Feature Jean Gabin raconté der Filmemacherin Florence Moncorgé-Gabin als Extras.

 


 

Film Noir | 1955 | France | Edmond T. Gréville | Henri Vidal | Jean Gabin | Gaby Basset

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