Mala Powers, Tod Andrews, Robert Clarke, Raymond Bond, Lillian Hamilton
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Die Buchhalterin Ann Walton (Mala Powers) rennt die Treppe der Bradshaw Mill Co. hinab zum Lunchwagen, der davor geparkt ist und an dessen Tresen die Leute ihre Mittagsmahlzeit einnehmen. In aller Hast bestellt sie bei dem Mann hinterm Tresen (Albert Mellen), der sie zu necken beginnt, zwei Stücke Schokoladenkuchen. Seit einer Woche sei er hier, und jeden Tag kaufe sie den Kuchen, eröffnet ihr der Verkäufer, was vielleicht meine, dass sie einen Freund habe. Wäre er ihr Freund, so der unsympathische Kerl, bräuchte sie ihm ganz sicher keinen Kuchen kaufen. Sie solle mal darüber nachdenken, ob er nicht die bessere Wahl wäre... Ann findet das weder witzig noch charmant, ergreift ihre Schachtel mit Kuchen, die er ihr bis dahin vorenthielt, und sie läuft von dannen. Tatsächlich trifft sie auf einer Bank im Park ihren Verlobten Jim Owens (Robert Clarke), der schon hungrig auf sie wartete und eins der Sandwiches noch vor ihrem Erscheinen anbeißen musste. Ann amüsiert sich darüber und nimmt ihrerseits eins zur Hand. Er eröffnet ihr, dass er heute Morgen die Gehaltserhöhung, auf die sie gehofft hätten, genehmigt bekomme habe, und Ann ist außer sich vor Freude. Jim ist der Meinung, dass sie lange genug gewartet hätten und sie ihren Job nun aufgeben könne, damit sie gemeinsam in ein Apartment zögen. Ann will schlägt vor, dass Jim noch heute zu ihren Eltern (Lillian Hamilton, Raymond Bond) zum Abendessen komme, so dass sie sie über ihre bevorstehende Hochzeit und ihre Pläne ins Bild setzen könnten…
“It’s no coincidence that Outrage is often considered a film noir, as the central act of the film is a rape (…), and it subsequently examines the alienation of the victim from her family and her community”, schreibt Mark Fertig in einer scharfsinnigen und feinfühligen Rezension dieser Regiearbeit Ida Lupinos für Where Danger Lives. Das ist in jeder Hinsicht richtig. Bereits der Vorspann nimmt Auszüge der Flucht Ann Waltons vor ihrem Verfolger und späteren Vergewaltiger vorweg. Sie wurden von Kameramann Archie Stout (Dark Waters, USA 1944) in der Manier vieler expressionistisch kontrastreicher Szenen eines Film Noirs auf Zelluloid gebannt. Im Vorjahr hatte William Dieterle mit Vergewaltigt / Frau in Notwehr (USA 1949) einen Film Noir ins Kino gebracht, darin Wilma Tuttle (Loretta Young), Professorin für Psychologie in Los Angeles, sich gegen den Studenten Bill Perry (Douglas Dick) zur Wehr setzen muss, der sie vergewaltigen will. Der deutsche Verleih hatte die ursprüngliche Betitelung seinerzeit geändert. Die Vergewaltigung ist zwar intendiert, findet aber nicht statt. Demgegenüber macht Ida Lupinos Film nach einem Drehbuch Collier Youngs, seinerzeit Lupinos Ehemann, Malvin Walds (Stadt ohne Maske / Die nackte Stadt, USA 1948) und ihr selbst, damit ernst und zeigt die tiefe Verstörung einer Frau nach einer Vergewaltigung. Obgleich das Wort “rape“ an keiner Stelle des Films ausgesprochen wird, da es der Zensur durch den Motion Picture Production Code zum Opfer fiel, bleiben Filmhandlung und Inszenierung konsequent beim Thema. So wird die als harmlos oder sogar als sympathisch bewertete Ansprache junger Frauen durch einen Mann – “Hey, Beautiful!“ – auch als Sprache eines potentiellen oder eben wirklichen Vergewaltigers bloßgestellt. Vor allem aber wird Ann Walton im Fall einer späteren Selbstverteidigung gegen den Landarbeiter Frank Marini (Jerry Paris), der sie wider ihren Willen zu einem Kuss zwingen will und den sie mit einem Schraubenschlüssel bewusstlos schlägt, als gewalttätig inhaftiert und vor den Richter gebracht. Solche Entwicklung der Geschichte Anns, die auch im scheinbaren Idyll ihrer Vergangenheit nicht zu entrinnen vermag, ist konsequent und lässt angesichts der Doppelmoral und Verlogenheit der US-Gesellschaft die Verbitterung der Autorin und Regisseurin zutage treten.
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”What’s the matter with you? I’m not going to hurt you. I just wanna kiss you. Is that bad?” Die Frau als Objekt steht im Fokus der Sichtweise gleich mehrerer Männer. Wird sie (aktiv) begehrt, hat sie gehorsam und willfährig zu sein und den Mann nicht etwa zurückzuweisen. Insofern war und ist Ida Lupinos Outrage ein wichtiger Film. Leider ist er nicht immer auch ein guter Film. Die erste Hälfte, welche den Tathergang, Anns Zusammenbruch und im Anschluss die Flucht aus ihrer Heimatstadt schildert, ist die bessere. Sobald sie auf dem platten Land und auf der Orangenplantage des Ehepaars Madge und Tom Harrison (Angela Clarke, Kenneth Patterson) Zuflucht findet, tritt ab der 33. Minute auch der gemütsruhige Pfarrer Bruce Ferguson (Tod Andrews) auf den Plan. Trotz der (teils) nachvollziehbaren Intention für die Figur erweisen sich dessen Predigerton und seine Binsenweisheiten für die Geschichte als wenig förderlich. Das Schauspiel ist durch die Bank solide, nicht herausragend. Zum Ende hin wird die Grenze zum Kitsch übertreten. Die Schlusssequenz relativiert viel von der vorherigen Dramatik und der Dramaturgie, wird Ann Walton doch allein durch den gütigen Seelsorger errettet und ihrem vorherigen Leben zurückgegeben. Damit löst sich nun (fast) alles in Wohlgefallen auf. Genau das wird der Geschichte und den Zuschauern jedoch nicht gerecht. Schade!
Eine US-amerikanische Blu-ray disc oder auch DVD (2023) der Kino Lorber Studio Classics beinhaltet das Werk bild- und tontechnisch exzellent restauriert, ungekürzt und im Originalformat inklusive des englischen Originaltons und mit optional englischen Untertiteln. Als Bonus bietet die Edition einen Audiokommentar der Filmhistorikerin und Autorin Imogen Sara Smith.