Another Lonely Hitman

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Shin kanashiki hittoman
Kategorie
Neo Noir
Land
JPN
Erscheinungsjahr
1995
Darsteller

Ryô Ishibashi, Kazuhiko Kanayama, Asami Sawaki, Tatsuo Yamada, Zenkichi Yoneyama

Regie
Rokurō Mochizuki
Farbe
Farbe
Laufzeit
105 min
Bildformat
Widescreen

 


 

 

Osaka, Japan: Yakuza-Gangster Takashi Tachibana (Ryô Ishibashi) spritzt sich auf einer öffentlichen Toilette erstmals in seinem Leben Heroin in den Unterarm. Während er kurz darauf im Waschraum vor dem Spiegel steht, tritt ein etwa 6-jähriges Kind durch die Tür, formt die Hand zu einer Pistole, zielt auf ihn und artikuliert ein “Bang!“ Unter seiner Lederjacke zieht Tachibana nun einen schweren Revolver hervor, hält dem Kind dessen Lauf an die Stirn und spannt durchs Zurückziehen den Hahn. Das Kind nimmt ihm die Waffe aus der Hand und dreht sie in alle Richtungen, und Tachibana setzt sich dessen Baseballkappe auf den Kopf. Die beiden gehen von der Herrentoilette des Restaurants über den Köpfen der Gäste eine Empore entlang. Tachibana blickt neugierig zu dem Tisch hinab, an dem das Oberhaupt des Hokushin-Clans mit zwei Frauen zu Abend speist. Kurz darauf tritt er von hinten an den Mann heran, richtet seinen Revolver auf dessen Hinterkopf und drückt vor den Augen aller Anwesenden ab. Indessen er die Leibwächter des Toten in Schach hält, hört er hinter sich ein Geräusch, fährt herum und drückt ein zweites Mal ab. Zu seinem Entsetzen sieht er, dass er Hokushins Tochter ins Bein traf und diese sich vor Schmerzen schreiend auf dem Boden wälzt… Zehn Jahre später wird Takashi Tachibana vor dem Gefängnis in Osaka von seinem Boss Hirakawa (Tetsuya Yûki) in dessen Mercedes-Limousine abgeholt. Damals war es sein erster Mord und sein erstes Mal Heroin, dass er brauchte, um als Killer ruhig zu bleiben…

 

“Anyone familiar with film noir and its many descendents will instantly know that Another Lonely Hitman is clearly not going to end with an idyllic Okinawa conclusion”, schlussfolgert Neil Young für die Jigsaw Lounge, und das beinhaltet mit Blick auf diesen japanischen Neo Noir manches, was ihn gleichermaßen als relevant und als harte Kost auszeichnet. Der Einstieg ist überraschend blutig, wenn der Yakuza-Gangster den Boss einer rivalisierenden Bande im Restaurant per Kopfschuss exekutiert und die Kamera gnadenlos draufhält. Aber es sind nicht nur solche Szenen, welche die Härte des Films ausmachen, es sind vor allem seine Tristesse und die Hoffnungslosigkeit. Zurück in der Freiheit kommt Tachibana in einem Hotel unter. Man schickt ihm eine Prostituierte, mit der er sich vergnügen soll, die kaum erwachsene Yuki Tajima (Asami Sawaki), doch Tachibana ist nicht nach Sex zumute. Die beiden freunden sich an; er befreit sie mit Gewalt aus den Fängen ihres Freundes und Zuhälters (Takashi Miike). Aber Takashi Tachibana weiß, dass Yukis Frohsinn und Leichtigkeit allein auf ihre Heroinsucht zurückzuführen sind. Er kettet sie in seinem Schlafzimmer an, und ihr kalter Entzug beginnt, als auch plötzlich der Clan für ihn wieder Aufträge hat. Doch eigentlich will Tachibana, der sich nach zehn Jahren in der Welt der Gangster, die nicht länger dem Yakuza-Code zugunsten Treue und Ehre folgen, nicht mehr zurechtfindet, in Okinawa Fischer werden. Eigentlich will er die ruchlosen Bosse und die eigene Gewalttätigkeit hinter sich lassen und mit Yuki ein neues Leben beginnen. Er ist ein einfacher Mann, zugleich verhärtet und skrupellos – eine im Grunde simple Persönlichkeit in einer zu komplexen Welt, und auch die eigene Tochter Tomoko, das Kind der Eingangssequenz, hat ihren inzwischen 39-jährigen Vater längst vergessen. So dreht sich im letzten Drittel der Geschichte nahezu alles um die Frage, ob es Takashi und Yuki gelingen kann, die beklemmende Trostlosigkeit des Lebens in Osaka gemeinsam hinter sich zu lassen.

 

“Another Lonely Hitman is a striking, edgy, shocking, ultraviolent and magnificently unpredictable tour de force”, heiß es bei Mandi Apple, und auch das ist richtig. Allerdings ist der Überraschungseffekt des Endes nicht vollständig neu und von mehreren Vorbildern inspiriert. Marcel Carnés Hafen im Nebel (FRA 1938) und Hugo Fregoneses One Way Street (USA 1950) sowie auch Wim Wenders‘ Der Stand der Dinge (GER/POR/FRA/ESP/NL/UK/USA 1982) kamen mir in den Sinn, demgegenüber dieses Ende ebenso logisch wie schlüssig ist. Ryô Ishibashi war seit 1979 Sänger der japanischen Rockband A.R.S. (Alexander’s Ragtime Band), bevor er ab 1986 sukzessive umsattelte. Das stimmte mich erst missrauisch, doch seine Leistung in diesem Film, der ihm in seiner Heimat den Durchbruch bescherte, ist wirklich exquisit. Bei der Vergabe der Japanese Professional Movie Awards gewann Rokurō Mochizuks Another Lonely Hitman im Jahr 1996 in drei Kategorien: Bester Film, bester Regisseur und Ryô Ishibashi als bester Hauptdarsteller. Außer auf einem Filmfestival (1996) in Schweden kam der Film über sein Heimatland jedoch kaum hinaus, und auch heute ist er nur wenigen Cineasten überhaupt bekannt. Ich selbst halte ihn für einen empfehlenswerten Neo Noir; allerdings ist es kein Film für jedermann.

 

Eine DVD-Edition (2005) von Artsmagic (USA und UK) beinhaltet das Werk bild- und tontechnisch gut und im korrekten Bildformat mit dem japanischen Originalton und englischen Untertiteln, leider ohne jegliche Extras.

 


 

Neo Noir | 1995 | International | Rokurō Mochizuki | Ryô Ishibashi

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