Cocktail für eine Leiche

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Rope
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1948
Darsteller

James Stewart, John Dall, Farley Granger, Edith Evanson, Joan Chandler

Regie
Alfred Hitchcock
Farbe
Farbe
Laufzeit
80 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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© Warner Bros.

New York: Hinter den an einem Sommertag herabgezogenen Vorhängen eines luxuriösen Apartments geschieht ein Verbrechen. Die beiden Studenten Brandon Shaw (John Dall) und Philip Morgan (Farley Granger) erdrosseln kaltblütig ihren langjährigen Freund und Kommilitonen David Kentley (Dick Hogan) und verstauen seine Leiche in einer aufklappbaren Kommode. Ihr einziges Motiv besteht, darin, den perfekten Mord zu verüben, zu dem sich vor allem Shaw unterm Einfluss der Thesen Rupert Cadells (James Stewart) berufen wähnt, der seinerseits den Mord als eine Kunstform betrachtet, der von wahrhaft Begabten an den in jeglicher Hinsicht unterlegenen, gewöhnlichen Menschen verübt werden sollte. Bevor Brandon und Philip heute Abend nach Connecticut fahren, haben sie noch Gäste eingeladen, und Brandon beschließt gegen Philips Einwände die Kommode mit Davids Leichnam als Anrichte für die Speisen zu nutzen. Indessen sie zu diesem Zweck eine Reihe Bücher umräumen, fällt Philip auf, dass jene Kordel, mit der sie David erdrosselten, noch aus der Kommode hängt, und Brandon bringt sie kurzerhand in die Küche. Indessen ist die Haushälterin Mrs. Wilson (Edith Evanson) eingetroffen, die mit den Vorbereitungen für die Feier betraut war. Sie wundert sich über das neue Arrangement, zudem Brandon zwei Kerzenleuchter auf der Kommode drapiert. Als Gäste erwartet man neben Rupert auch David Kentleys Mutter und Vater (Sir Cedric Hardwicke) sowie auch dessen Verlobte Janet Walker (Joan Chandler)…

 

“Rope is a 1948 American film noir psychological crime thriller film directed by Alfred Hitchcock”, liest man bei Wikipedia zu diesem Film. Doch mancher Leser wird sich wundern, Alfred Hitchcocks ersten Farbfilm als klassischen Film Noir besprochen zu sehen. Tatsächlich habe ich gezögert und erst Argumente anderer Autoren zum Film Noir gesichtet, darunter sich Foster Hirsch mit The Dark Side of The Screen: Film Noir (EA 1982) und Jerold J. Abrams From Sherlock Holmes to the Hardboiled Detective in Film Noir (in: The Philosophy of Film Noir, EA 2005) befinden. Die dem Film Noir charakteristische Bildsprache, ein kontrastreiches Schwarzweiß in großteils nächtlichen Drehorten und mittels ungewöhnlicher Perspektiven zusätzlich verfremdet, sie fehlt hier vollständig. Auch eine Femme fatale sucht man vergebens, es gibt keinen Erzähler aus dem Off und keine Rückblenden. Demgegenüber spielt die Beziehung der Charaktere in ihrer jüngsten Vergangenheit eine große Rolle, ebenso die romantischen Wechsel der zentralen Frauenfigur Janet Walker, die mit drei der jungen Herren - Brandon Shaw, Kenneth Lawrence (Douglas Dick) und David Kentley - zum einen oder anderen Zeitpunkt liiert war oder liiert ist. Vor allem aber stellt Hitchcocks Verfilmung des Theaterstücks Rope von Patrick Hamilton (EA 1929) in einer für die Zeit außergewöhnlichen Weise das moralisch-ethische Verhältnis zum Kapitalverbrechen infrage, indem es die intellektualistische Koketterie einer Oberschicht, die sich aufgrund ihres materiellen und geistigen Habitus’ überlegen wähnt, aufs Korn nimmt. Die ursprüngliche Quelle Hamiltons ist sogar eine reale, wie Lidia Konar in ihrem Artikel Elements of Film Noir herausstellt: “Many ‘film noirs’ were based on real crime events, (…) for instance, Rope (1948) by Alfred Hitchcock was based on the Nathan Leopold and Richard Loeb murder case which took place in 1924.”

 

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© Warner Bros.

“Good and evil, right and wrong were invented for the ordinary average man, the inferior man, because he needs them. Mehrere Aspekte, formal und inhaltlich, lassen Cocktail für eine Leiche, der 1963 erstmals in Deutschland im Kino gezeigt wurde. zu einem ungewöhnlichen Filmerlebnis werde und das gilt bis heute. Enorm zugespitzt in seinen Dialogen, trägt das perfekt ausbalancierte und flinke Rededuell der Protagonisten auf vielen Ebenen zum Vergnügen am Film bei. Jeder Halbsatz ist eine Provokation und außer dem Zuschauer teilen nur Brandon Shaw und Philip Morgan jenes Wissen, das hier so manche Frage-Antwort-Konstellation enorm auflädt. James Stewarts Rupert Cadell wird am Ende zum Film-Noir-Charakter, dessen Einfluss dergestalt unheilvolle Konsequenzen nach sich zog und welcher sich nun allemal schwach mit dem Hinweis aus der Affäre zieht, dass er das - Mord als einem großen Geist vorbehaltene Kunstform - natürlich nie und nimmer in die Tat umzusetzen dachte. Hier hapert die Geschichte, wenn nämlich Cadell plötzlich als Mann bürgerlicher Moral die Missetäter der Polizei zu übergeben hofft. Alfred Hitchcock hätte das Drehbuch wohl gern in einem Take verfilmt, doch das ging 1948 nicht. Nach 10 Minuten musste man die Rolle wechseln und so beinhaltet Cocktail für eine Leiche, eine Filmhandlung in Echtzeit, im Ganzen 10 Schnitte. Vor allem die provokanten Thesen verschreckten das Kinopublikum der Nachkriegsjahre und Hitchcocks erste Produktion seiner eigenen Transatlantic Pictures war an der Kinokasse ein Flop. Das ist aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar, aber auch einigen der wunderbaren Darsteller war langfristig kein Erfolg beschieden, etwa Joan Chandler, Douglas Dick und John Dall.

 

Sehr gute BD- und DVD-Editionen (2014 und 2003) der Universal Pictures GmbH Germany mit dem Film ungekürzt im Originalformat, die original englische Tonspur (unbedingt zu empfehlen) sowie weitere auf Deutsch, Russisch, Japanisch, Italienisch, Portugiesisch, Französisch, Spanisch, optional Untertitel in Deutsch, Englisch, Dänisch, Finnisch, Französisch, Italienisch, Isländisch, Japanisch, Niederländisch, Norwegisch, Schwedisch, Spanisch, Portugiesisch und Russisch. Bei den umfangreichen Extras gibt es u.a. ein Making of und den Kinotrailer. Bei der Blu-ray Disc ist die deutsche Synchronisation im Übrigen diejenige der Kinofassung von 1963, auf der DVD ist nur die Neusynchronisation von 1984, doch sprachlich ist keine der beiden nur annähernd adäquat. Einzig und allein der englische Originalton garantiert uneingeschränkten Genuss.

 

Film Noir | 1948 | USA | Alfred Hitchcock | Douglas Dick | Farley Granger | James Stewart | John Dall

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