Vampyr von Soho, Der

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Bewertung
****
Originaltitel
Street Of Shadows / Shadow Man
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1953
Darsteller

Cesar Romero, Kay Kendall, Edward Underdown, Victor Maddern, Simone Silva

Regie
Richard Vernon
Farbe
s/w
Laufzeit
84 min
Bildformat
Vollbild
 

 

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Der Stadtteil Soho in London: Danny “Limpy“ Thomas (Victor Maddern) ist Mädchen für alles im Spielsalon von Luigi (Cesar Romero), eines ehemaligen Preisboxers und Lebenskünstlers, der sich mit der Polizei und den Kriminellen seines Viertels gut zu stellen weiß. Als der an einem Klumpfuß leidende Limpy heute die Straße übnerquert, gerät er genau vor Luigi’s in einen Menschenauflauf, denn die alte “Starry“ Darrell (Molly Hamley-Clifford) ist in der Mittagshitze ohnmächtig geworden. Im Büro von Luigi setzt man sie in einen Stuhl und bei einer Tasse Tee erholt sich die Alte rasch. Limpy weiß, dass sie eine in der Nähe praktizierende Wahrsagerin ist und “Starry“ bietet Luigi im Gegenzug für seine Hilfe eine kostenlose Konsultation an. Als Limpy kurz darauf die Bar aufräumt, schleicht sich der Gauner Nikki (Tony Sympson) mit einem Koffer in Luigis Büro, denn er hofft, ihm einiges von seinem Ramsch zu verkaufen. Noch bevor Limpy ihn rausschmeißen kann, hat er aus einem Bilderrahmen ein Foto entfernt und Luigi kommt in Begleitung von Constable Fred Roberts (Liam Gaffney) herein, über Nikkis Besuch wenig erfreut. Der unerwünschte Gast verzieht sich und Roberts erzählt Luigi von einer Serie von Einbrüchen, der letzte in der vergangenen Nacht. Daran sollen auch einige Stammgäste des Spielsalons beteiligt gewesen sein und Luigi versichert, Roberts’ zu informieren, sollte er etwas hören. Nachdem der Polizist gegangen ist, entdecken Limpy und Luigi auf dem Schreibtisch das Foto einer Frau (Kay Kendall). Luigi schenkt es Limpy, der davon fasziniert scheint, und denkt nicht mehr daran…
 
Nicht der Mordfall ist das Rätsel dieses eigenwilligen Films sondern sein deutscher Titel. Hier gibt es weder einen Vampir noch sonst eine übersinnliche Figur. Diese B-Produktion ist ein Film Noir und hat mit Horror und Grusel nichts am Hut. Eine erstklassige Kameraarbeit Phil Grindrods inmitten der britischen Metropole, Eric Spears The Limping Man Theme mit dem Harmonikaspiel Tommy Reillys und eine besonnene Regie Richard Vernons, die ohne klischeehafte Dramaturgie auskommt, sowie ein gutes Ensemble-Schauspiel holen aus Laurence Meynells Romanvorlage The Creaking Chair (EA 1941) mehr heraus, als es das sichtbar schmale Budget erwarten ließe. In nur 84 Minuten entwickelt Vernon eine Reihe sauber gepinselter Charakterportraits, von denen der durch seinen Fuß und den Spitznamen gezeichnete „Limpy“ - übersetzt etwas wie „Hinkebein“ - besonders hervorsticht. Victor Madderns Darstellung des loyalen Freunds von Luigi, der sich nach einer Frau verzehrt und den Spott mancher Gäste im Luigi’s verabscheut, ist facettenreich und glaubwürdig. Doch sind die zentralen Figuren allesamt Außenseiter. Die von Liebe zu Luigi und von Promiskuität bis zur Grausamkeit wider Limpy getriebene Angele Abbé (Simone Silva) ist eine Femme fatale, deren explizit offensive Sexualität in einem Hollywoodfilm undenkbar gewesen wäre. Luigi ist trotz seiner ruhigen, überlegenen Art ein Mann ohne Talente, wie er selbst von sich sagt. Und die hübsche Barbara Gale (Kay Kendall) schwankt haltlos und willensschwach durch eine feuchtfröhliche Existenz an der Seite ihres Ehemanns Gerald (John Penrose), kühler Kopf einer Zockerbande, für den sie den Lockvogel spielt.
 
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© VCI Entertainment

 
„Watch this (…) for the almost incessantly dark settings, Cesar Romero’s strong performance, to see Kay Kendall at the height of her stylish beauty, and for several of the mechanical devices in Luigi’s arcade”, fasst Steve Lewis für Mystery File punktgenau zusammen. Eine lange Zeit weiß der Zuschauer nicht, worauf der Film überhaupt hinaus will. Wir sehen den Rollencharakteren bei ihrem Alltag zu, der sich großteil nachts abspielt. Luigi liest Zeitung in einer Bar, in der alles still ist und keine Musik spielt. Limpy fegt den Schankraum der Spielhalle und Angele schält sich missmutig aus den Laken ihres Bettes… Autor und Regisseur Richard Vernon (u.a. Produzent von Norman Fosters Bis zur letzten Stunde, USA 1948) der danach nie wieder einen Film drehte, kreiert bedacht, was oft schmerzlich fehlt, nämlich eine atmosphärische Dichte, die den Personen und dem Geschehen eine ureigene Bühne gibt. Ist das Ende auch vorhersehbar, zeigt das Finale allemal Finesse im Umgang mit dem wunderbaren Schauplatz jenes Pin-Table-Saloons, dessen mechanische Apparaturen den Personen ihr Glück weissagen oder sie lautstark auslachen. Der Tragik einiger Charaktere entsprach im Leben diejenige der Hauptdarstellerinnen. Simone Silva starb 1957 mit nur 29 Jahren nach einem Schlaganfall und die 33jährige Kay Kendall 1959 an Leukämie. Beide hinterließen ihre Spuren im klassischen britischen Film Noir und für einen verregneten Abend im Herbst ist Der Vampyr von Soho bis heute eine gute Wahl.
 
Unterm US-Titel Shadow Man erschien der Film als DVD (2006, codefree) via VCI Entertainment zusammen mit Shoot To Kill / Police Reporter (USA 1947) als Vol. 3 der Serie Forgotten Noir. Er erweist sich als bildtechnisch gut und ungekürzt im Originalformat ohne Untertitel; eine Bildergalerie und eine Kurzbiografie Cesar Romeros sind die Extras. In Deutschland ist er nicht erhältlich.
 

 

Film Noir | 1953 | UK | Richard Vernon | Cesar Romero | Edward Underdown | Victor Maddern | Kay Kendall | Simone Silva

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