Tollwütige, Der

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Bewertung
**
Originaltitel
Mad Dog Coll
Kategorie
Post Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1961
Darsteller

John Davis Chandler, Kay Doubleday, Brooke Hayward, Neil Burstyn, Jerry Orbach

Regie
Burt Balaban
Farbe
s/w
Laufzeit
88 min
Bildformat
Widescreen

 


 

© Columbia Pictures Corporation

New York: Es herrscht Dunkelheit auf dem heute in dichte Nebelschwaden gehüllten Friedhof, als sich ein Wagen nähert und kurz darauf eine Autotür zuschlägt. Ein Mann nähert sich dem Grab von Anthony Coll, geboren 1873 und gestorben 1921, wie die Inschrift verrät. Der Ankömmling ist Vincent Coll (John Davis Chandler), in der Regel “Mad Dog“ genannt und der Sohn des Verstorbenen. Er trägt den rechten Arm in einer Schlinge und in der Linken eine Maschinenpistole. Die bringt er jetzt in Anschlag und feuert eine Salve auf den Grabstein, darum bemüht den Namen des Toten auszuradieren, bevor er in ein irres Lachen ausbricht… Nachtclubtänzerin Clio Le Patre (Kay Doubleday), so ihr Künstlername, ist in der Garderobe des Stripteaseclubs, in dem sie arbeitet und sieht in der Zeitung eine Schlagzeile über “Mad Dog“ Coll. Se weiß, dass nur die Medien ihn bei dem Spitznamen nennen, lernte sie den Gangster doch kennen, der ihr viel von seiner Kindheit erzählte, als sein Vater den Fünfjährigen (Marc Winters) ihn als Schmarotzer sah und grundlos schlug, indessen die Mutter (Peggy Feury) ihn nicht zu schützen wusste. So wuchs er heran, prügelte sich mit seinen Altersgenossen und lernte, dass einzig rohe Gewalt das Mittel zum Zweck für ihn sei. Mit 17 ist er Anführer einer Jugendbande, der kein Problem hat andere zu demütigen und auszunutzen. Eines Tages ist Vincent mit seinem Freund Rocco (Neil Burstyn) in seiner Stammkneipe. Sie beschließen sich bis zum nächsten Raubzug ihre Zeit mit Mädchen zu vertreiben, als Elizabeth (Brooke Hayward) und ihre Freundin Caroline (Joy Harmon) zur Tür hereinkommen…

 

Für Gene Hackman, Telly Savalas und Leonardo Cimino bedeuteten ihre Rollen in Burt Balabans schwarz-weißem Gangsterfilm Der Tollwütige den jeweils ersten Auftritt in einer Kinoproduktion. Zuvor hatten sie schon in diversen TV-Formaten mitgewirkt - alle drei in der mit Edward Binns in der Hauptrolle besetzten Fernsehserie Brenner (USA 1959-1964) über einen harten und desillusionierten Cop des New York Police Departments. Auch für fast alle der ganz jungen Akteure war es der erste Kinofilm ihrer Karrieren, sollten letztere auch nicht so lange und bemerkenswert verlaufen wie die der drei erstgenannten. Dass die B-Produktion der Thalia Productions Inc. im Vertrieb der Columbia Pictures im Grunde billiger Trash ist, zeigt sich schnell. Ende der 50er Jahre, als der Film Noir leise und doch beständig zugrunde ging, kam es zu einem kurzlebigen Revival des Gangsterfilms der 30er. Noch einmal wollte das US-Publikum die Legenden der Prohibition und der Weltwirtschaftskrise auf der Leinwand ihr teuflisches Spiel treiben sehen, nur mit mehr Gewalt und mehr offensichtlichem Irrsinn. Don Siegels So enden sie alle (USA 1957), Robert Stevens‘ Der Gangsterkönig von New York (USA 1958), Joseph Landons J.D. der Killer (USA 1960) oder Stuart Rosenbergs und Burt Balabans Unterwelt (USA 1960) ließen die 20er und  30er Jahre wiederaufleben. Die Drehbücher folgten dem Muster vieler Klassiker des frühen Tonfilms und bebilderten den Aufstieg und Fall ihrer historischen Antihelden. Der Tollwütige orientiert sich deutlich an William A. Wellmans The Public Enemy (USA 1931), darin die Verrohung des Protagonisten ebenfalls in dessen Kindheit verortet wurde. Ironie des Schicksals: Während die klassischen Gangsterdramen die Trennung von Gut vs. Böse nur oberflächlich in Szene setzten – die einzig faszinierende Figur war immer der Gangster, Widersacher und Nutznießer einer bis in ihre Wurzeln verkommenem bürgerlichen Kultur – und damit dem Film Noir vorangingen, ist Vincent “Mad Dog“ Coll durch und durch ein Widerling. Dabei erreicht John Davis Chandler nicht ansatzweise das Niveau von Richard Attenborough als Pinkie Brown in John Boultings Brighton Rock (UK 1947), der seinem misanthropischen Ungeheuer einst unglaublich viele Nuancen und Facetten abgewinnen konnte.

 

© Columbia Pictures Corporation

“The low-budget crime drama is merely an exploitation film, one that is predictable and tedious”, schlussfolgert Dennis Schwartz und ich kann ihm von Herzen zustimmen. Die Ära der 20er Jahre sieht kaum wirklich aus, wie sie aussehen sollte, und so schaut man den bösen Buben eine Zeitlang bei ihren schlimmen Verbrechen zu, bevor sie zuletzt ihrer Strafe zugeführt werden. Das ist allerdings langweilig und wird auch durch Beteiligung einiger künftiger Filmstars nicht auf ein anderes Niveau gehoben. Zudem ist Der Tollwütige eh schon ein Nachzügler des erwähnten Revivals historischer Gangsterdramen. Erst Mitte der 70er Jahre kamen solche im Rahmen des Neo Noirs mit Werken à la Roman Polanskis Chinatown (USA 1974), Dick Richards‘ Fahr zur Hölle, Liebling (USA 1975) und Peter Hyams‘ Die falsche Schwester (USA 1976) wieder in Mode. Was es hier sonst zu entdecken gibt? Im Grunde gar nichts. Burt Balabans Der Tollwütige kann man sich gänzlich sparen.

 

Einzig in den USA gibt es von Mad Dog Coll via Sony Pictures Entertainment eine DVD-Edition (2011, Regionalcode 1) mit dem Film bild- und tontechnisch fein restauriert, ungekürzt und im Originalformat, das Ganze ohne Untertitel und ohne jegliche Extras.

 


 

 

Post Noir | 1961 | USA | Burt Balaban | Gene Hackman | Jerry Orbach | Leonardo Cimino | Vincent Gardenia

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