Gejagt

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Bewertung
****
Originaltitel
Nowhere To Go
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1958
Darsteller

George Nader, Maggie Smith, Bernard Lee, Geoffrey Keen, Bessie Love

Regie
Seth Holt
Farbe
s/w
Laufzeit
100 min
Bildformat
Widescreen

 


 

© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.

 

In der Nähe des Gefängnisses von Wandsworth, London, parkt Victor Sloane (Bernard Lee) in der Dunkelheit eines Herbstabends seinen 1957er Ford Zephyr Convertible auf offener Landstraße. Er zieht den Zündschlüssel ab, verstaut ihn im Handschuhfach und steigt aus. Von einem nahegelegenen Regionalbahnhof, beobachtet er, wie das Wachpersonal des Gefängnisses an dessen rückwärtigen Mauern entlang sich auf den Heimweg begibt. Er verstaut einen mitgebrachten Koffer auf dem Sims hinter einem kaputten Fenster, zieht seinen Mantel aus und läuft mit einem Tau, daran ein Wurfanker befestigt ist, über die Gleise in Richtung der Mauer. Er schwingt den Anker und wirft ihn geschickt in die Höhe, wo er sich auf dem Mauersims einhakt, sodann klettert er gekonnt in die Höhe. Im Inneren des Gefängnisses begibt sich ein Wärter (Jim Brady) auf seinen Kontrollgang, während der zu 10 Jahren Haft verurteilte Trickbetrüger Paul Gregory (George Nader) aus dem vergitterten Fenster seiner Zelle einen an einer Schnur befestigten Stoffsack hinablässt. Victor Sloane gelangt an seinem Tau just in dem Augenblick ins Innere des Gefängnisses, bevor der Wärter ums Eck biegt, eine Außenlampe löscht und durch eine Tür verschwindet. Als er wenige Minute später daran vorbeiläuft, übersieht er im Dunkel auch den aus dem Fenster hängenden Stoffsack. Sloane verliert keine Zeit mehr, rennt in Windeseile los, steckt die Schachtel mit Dynamit und Zündschnur in den Sack und zupft an der Schnur. Sodann zieht Gregory den Sack zu sich hinauf…

 

“You know what's the matter with this fish of yours, don't you? He's dead. Why don't you get yourself something that'll last a little longer?” Wenn eine Erzählung ihr Publikum bei der Stange hält und zudem atmosphärisch adäquat eingefangen ist, ist das Fundament für einen guten Film Noir schon gelegt. Genau das ist bei Seth Holts Debüt als Regisseur betitelt Gejagt der Fall. Der aus Kanada stammende und seit Ende des Zweiten Weltkriegs in London, England, lebende Betrüger Paul Gregory erleichtert die kanadische Witwe Harriet P. Jefferson (Bessie Love) um 55.000 britische Pfund, indem er sich ihr Vertrauen erschleicht und die Münzsammlung ihres verstorbenen Ehemanns an einen Antiquitätenhändler verkauft, von dem er sich in bar auszahlen lässt. Er deponiert das Geld in einem Safe und lässt sich daraufhin von Scotland Yard verhaften. Da er in Großbritannien nie straffällig wurde, geht er davon aus, mit 5 Jahren Haftstrafe davonzukommen, so dass er im Alter von 40 Jahren auf freien Fuß käme und fortan ein sorgenfreies Leben führte. Das Gericht brummt ihm, der nicht kooperiert und das Versteck seiner Beute geheim hält, jedoch 10 Jahre auf. Also will Paul Gregory mithilfe seines Freundes Victory Sloane aus dem Gefängnis fliehen… Gejagt ist eine Adaption von David Mackenzies Kriminalroman Nowhere To Go (EA 1956, auf Deutsch 1959 als Flucht ohne Ausweg), beinhaltet jedoch Elemente, die dem Freund des internationalen Film Noirs bekannt vorkommen werden. So ist die Analogie zu Hugo Fregoneses Film Noir Dämon Geld (ARG 1949) mehr als offensichtlich: Hier betrügt der Bankangestellte José Moran (Jorge Salcedo) seinen Arbeitgeber um eine hohe Summe, nachdem er in Erfahrung brachte, dass er für den Raub nicht mehr als 6 Jahre aufgebrummt bekommen kann. Aber sein Plan geht schief; er muss aus dem Gefängnis ausbrechen. In Schwarzer Freitag (USA 1954), ebenfalls von Hugo Fregonese, flieht der todgeweihte Peter Manning (Peter Graves) aus der Haftanstalt. Die Beute seines letzten Coups brachte er zuvor nirgendwo sonst als in einem Banksafe unter... Trotz ihrer geglückten Flucht läuft auch in diesen Filmen für die Ganoven nichts, wie es hätte laufen sollen. Mit den Gesetzeshütern und den ebenso gierigen wie ehrlosen Mitstreitern an ihren Fersen schlittern die stets auf der Flucht befindlichen Antihelden kurz vor dem Ziel ihrem Verderben entgegen. 

 

“Seth Holt (…) was determined to make “the least Ealing film ever”, and managed to make one of its darkest and intricately plotted films”, schreibt Dennis Schwartz über diesen Brit Noir und liegt damit richtig. Vom Ende her betrachtet, erinnert das Werk weit mehr an Filme Jean-Pierre Melvilles, dessen Werke der 50er und 60er Jahre ebenfalls bevorzugt aus der Perspektive der Gangster erzählt werden. Der US-Amerikaner George Nader ist kein übler Schauspieler, war nach Auslaufen seines Vertrags mit Universal-International Pictures in den USA jedoch nicht sonderlich gefragt und tritt hier in seiner ersten britischen Produktion in Erscheinung. Cineasten ist der Film vor allem wegen Beteiligung der damals 23-jährigen Maggie Smith ein Begriff, die nach kleinen Fernsehrollen hier erstmals für einen Kinofilm vor der Kamera stand und nach einer fast 60-jährigen Schauspielkarriere 2024 verstarb. Der unterm Titel Gejagt seinerzeit auch in der Bundesrepublik im Kino aufgeführte Film war lange nicht greifbar und ist bei Freunden des Film Noirs noch heute wenig bekannt. 

 

Unter dem Originaltitel Nowhere To Go gibt es eine hervorragende DVD-Edition (2013) der Studiocanal Films Ltd. und zwar mit dem Werk in der neu restaurierten, ungekürzten 100-minütigen Fassung – die Kinofassung des Jahres 1958 war lediglich 89 Minuten lang – zudem im Originalformat, bild- und tontechnisch exzellent, dazu die original englische Tonspur mit sogar englischen Untertiteln und als Bonus das Feature Revisiting Nowhere To Go. Vorbildlich!

 


 

Film Noir | 1958 | UK | Seth Holt | Bernard Lee | Geoffrey Keen | George Nader | Glyn Houston

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