Pre Noir
    
      
           | France
    
      
          | 1938
    
      
      
          | Marcel Carné
    
      
          | Armand Thirard
    
      
          | Bernard Blier
          | François Périer
          | Louis Jouvet
          | Marcel Pérès
    
      
          | Arletty
          | Dora Doll
    
    
    
  Bewertung
              ****
          Originaltitel
              Hôtel du Nord
          Kategorie
              Pre Noir
          Land
          FRA
              Erscheinungsjahr
              1938
          Darsteller
          Annabella, Jean-Pierre Aumont, Arletty, Louis Jouvet, Paulette Dubost
Regie
              Marcel Carné
          Farbe
              s/w
          Laufzeit
              95 min
          Bildformat
              Vollbild
          
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Im Nordosten von Paris, am Kanal St. Martin betreibt das Ehepaar Louise (Jane Marken) und Émile Lecouvreur (André Brunot) das Hôtel du Nord. Hier hausen mehr oder minder obskure, teils kriminelle Charaktere, kleine Leute mit Herz und großer Klappe. Aber auch der Polizist Maltaverne (René Bergeron) ist hier zu Gast, wo bei jeder Gelegenheit gefeiert wird. Heute ist es die Kommunion von Maltavernes Tochter Michèle, die dazu Anlass gibt. Als die Kleine der Prostituierten Raymonde (Arletty) ein Stück des Kuchens auf ihr Zimmer bringt, löst das sofort einen Streit mit ihrem aus dem Gefängnis entlassenen Freund Edmond (Louis Jouvet) aus, der nach einer langen kriminellen Vergangenheit beschlossen hat, als Fotograf ein bürgerliches Leben zu führen. Kurze Zeit später erscheint in der Wirtsstube und zugleich der Lobby des Hotels, wo das Fest seinen Lauf nimmt, ein junges Paar – Renée (Annabella) und Pierre (Jean-Pierre Aumont). Die beiden wollen ein Zimmer, in das Louise sie nun führt. Es liegt im ersten Stock, wo sie im Flur auch von Edmond bemerkt werden. Sobald Renée und Pierre allein sind, besprechen sie, was für sie tun bleibt - in einer Welt, darin ihre Liebe keinen Platz und keine Zukunft findet. Gemeinsam Selbstmord zu verüben, ist der Plan. Besonders der leidenschaftlichen Renée ist daran gelegen, das Vorhaben schnell und sicher auszuführen. Pierre hat eine Pistole dabei. Zuerst soll er die Geliebte erschießen, danach sich selbst. Indessen verlässt Raymonde ihr Zimmer, um sich zur Arbeit zu begeben. Sie bleibt jedoch bei der tafelnden Gesellschaft in der Wirtsstube hängen. Und diese schreckt zusammen, als im ersten Stock ein einzelner Schuss ertönt und daraufhin Stille eintritt…
Im direkten Vergleich mit seinem Vorgänger Hafen im Nebel (FRA 1938), Marcel Carnés meisterhafter Regiearbeit aus dem gleichen Jahr, ist Hotel du Nord sicher um einiges melodramatischer. Etwas herzlicher erscheinen manche der Rollencharaktere, sogar vom Humor kleinbürgerlicher Verhältnisse gepolstert beginnt die Geschichte. Doch der Schein trügt. Nicht bloß die Absicht (und die „Umsetzung“) des Freitods der Liebenden, auch das hierdurch in eine flüssige Bewegung gebrachte Schicksalskarussell aller Bewohner des Hotels zeigt bald seine Härten, die den Klauen der Vergangenheit und dem ewigen Antagonismus zur Obrigkeit und deren Instanzen der Macht und Kontrolle entspringen. Das Finale und der Schluss sind ebenso grandios wie bitterböse ironisch und lassen an Julien Duviviers Pépé le Moko – Im Dunkel von Algier (FRA 1937) denken, ein Film, der schon Hafen im Nebel beeinflusst zu haben schien. Wer kommt und wer geht, ohne dass ein ganz entscheidendes Moment persönlicher Größe als solches erkannt wird, ist in der letzten Einstellung von Hotel du Nord auf den Punkt gebracht. Bald nach dem Entrée zieht die Filmhandlung - die gleichnamige Romanvorlage Eugène Dabits erzählt die Geschichte des Hotels seiner Eltern - den Knoten dramaturgisch langsam aber sicher zu.
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Einmal mehr ist die Auswahl der Darsteller eine Garantie für bis ins Detail fein gezeichnete Charaktere, deren Plastizität den Zuschauer noch heute verblüffen muss. Louis Jouvet als durchtriebener und übler Gauner Edmond mit der einen Seite, die ihn und uns überrascht. Ein junger Bernard Blier als schwächlicher Prosper, der seine Ehe mit Ginette (Paulette Dubost) nicht zu führen weiß und dessen Degradierung in ungeahnte Niederungen führt. Eine schillernde Renée, die keine Femme fatale sein will und es auch gar nicht verstünde zu werden, doch die Männer einen nach dem anderen am wunden Punkt trifft… In diesem Ensemble stimmt einfach alles, und es ist die zweite Stärke eines Films, dessen nächtliche Szenerien zunehmend ins Terrain kommenden Film Noirs entführen und einen Hochgenuss bedeuten. Dunkel und dunkler wird es um die Beteiligten, wenn schließlich Gangster aus Edmonds früherem Leben nach ihm zu fahnden beginnen, Edmond, dessen Identität nicht so eindeutig ist, wie es eingangs scheint… Im Kanon der unmittelbaren Vorläufer des Film Noirs wird dieses Werk oft ausgespart, zudem hat der melodramatische Einschlag zu einer reservierten Aufnahme bei der Filmkritik geführt. Beides erscheint auf heutiger Sicht ungerechtfertigt. Ein früher Klassiker des französischen Film-Noir-Kinos wartet auf seine Wiederentdeckung, ein stilsicheres und glaubwürdiges Drama, das nie und nimmer den Konventionen der Unterhaltung auf den Leim kriecht und konsequent bleibt.
Es gibt eine hervorragende englische DVD-Edition (2010) von Soda Pictures, die den Film in einer geradezu brillanten Bildqualität beinhaltet: französischer Ton mit wahlweise englischen Untertiteln, ungekürzt und im Originalformat. Unbedingt empfehlenswert!
    













