Viele kamen vorbei

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Viele kamen vorbei
Kategorie
Film Noir
Land
GER
Erscheinungsjahr
1956
Darsteller

Harald Maresch, Frances Martin, Christian Doermer, Heinz Schimmelpfennig, Ellinor Jensen

Regie
Peter Pewas
Farbe
s/w
Laufzeit
76 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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Der Gelegenheitsarbeiter Walter Reschke (Harald Maresch) wurde nie sesshaft und erlernte nie einen Beruf. Aber mit den jungen Frauen, die der hübsche, junge Kerl zu beeindrucken weiß, kommt er schnell in Kontakt, und sie mögen ihn. Hin und wieder zieht ihn das Band der Autobahn in die Ferne, und dann sieht ihn ein Tag, der sich neigt, mit einer vielleicht nicht ganz volljährigen Schönheit in einem Waldstück entlang der Strecke im Gras liegen. Aber der meistens so entspannt und freundlich wirkende Herumtreiber ist in Wahrheit ein gesuchter Frauenmörder, der seine Freundinnen entlang der Autobahn erdrosselt im Wald zurücklässt… Schon lange tappt die Polizei im Dunkeln; auch bei der heutigen Pressekonferenz sehen sich Kriminalkommissar Alfred Morath (Heinz Schnimmelpfennig) und sein Assistent Jonas Lorenz (Kai-Siefried Seefeld) der immergleichen Kritik der Journalisten ausgesetzt, die angesichts moderner Ermittlungsmethoden den fortwährenden Misserfolg nicht gutheißen können. Morath bittet die Presse, nicht gegen ihn sondern mit ihm zu arbeiten und durch Warnungen an die jungen Mädchen voller Erlebnishunger das Risiko zu verringern und den Mörder über die Wachsamkeit der Öffentlichkeit zu informieren. Indessen sprintet die 15-jährige Sabine Kirchner (Frances Martin) in die Erzgießerei des Vaters ihres langjährigen Schul- und Jugendfreunds Jochen (Christian Doermer), der sich mit seinem alten Herrn just in der Werkshalle befindet. Sabine wartet, bis der Vater aus der Tür ist und huscht dann hinein...

 

„Ein Film (…) über Deutschland in der Nacht, ganz buchstäblich. Weit weg von Wirtschaftswunder und Heimatkitsch“, heißt es in der Rezension bei Eskalierende Träume. Richtig! Der stark vom Film Noir beeinflusste bundesdeutsche Kriminalfilm Viele kamen vorbei ist definitv eine der besseren, wenn nicht sogar eine der besten Produktionen des hiesigen Nachkriegsfilms. Er spiegelt zudem die Geschichte seiner Schöpfer, des Drehbuchautoren und Produzenten Gerhard T. Buchholz (Weg ohne Umkehr, GER 1953) und des Regisseurs Peter Pewas (Straßenbekanntschaft, GER 1948). Nach seiner Premiere im Mai 1956 erhielt Peter Sandloff das Filmband in Silber in der Kategorie Beste Musik, und der Kameramann Klaus von Rautenfeld und erneut Sandloff wurden mit dem Deutschen Kritikerpreis bedacht. In den darauffolgenden Jahren kam der Film noch in mehreren europäischen Nationen ins Kino. In Fritz Langs M – Eine Stadt sucht einen Mörder (GER 1931) und in seinem eigenen Film Noir Der Verlorene (GER 1951) hatte Peter Lorre je einen Kinds- bzw. Frauenmörder verkörpert. Und auch in Lawrence Huntingtons Das dämonische Ich (UK 1946) oder in George Cukors Ein Doppelleben / Mord in Ekstase (USA 1948) verübten die Mörder ihre Taten nicht etwa aus Habgier – wie z.B. in Lewis Gilberts Dämon der Frauen (UK 1955) – sondern aus einer psychopathologischen Veranlagung. Es geht folglich um einen Serienkiller, der es auf Mädchen in der Pubertät abgesehen hat, auf minderjährige Frauen. Aber Buchholz‘ und Pewas Film bleibt nicht auf die Kriminalhandlung beschränkt. Er liefert das faszinierende Portrait einer Bundesrepublik, die den gesellschaftlichen Umbruch, darin sie sich in den 50er Jahren verstrickt sah, nur unter Schmerzen bewältigen kann. Der Konflikt der Generationen wirkt eher hölzern. Der Verlust von Halt und Orientierung, wie er sowohl den Triebtäter als auch die in Liebe zueinander entbrannten Teenager Jochen und Sabine betrifft, gelingt umso nachhaltiger.

 

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Für Buchholz und Pewas, zwei Außenseiter im bundesdeutschen Filmgeschäft, wurde die von Schwierigkeiten aller Art geplagte Produktion, zu einer Herausforderung. So hatte Buchholz Probleme, für sein kompromissloses Drehbuch Finanziers und einen Regisseur zu finden: der als schwierig geltende Pewas war quasi ein Notnagel. Ständig fehlte es an Geld und Ressourcen, folglich mangelte es an Zeit. Pewas und auch Kameramann Klaus von Rautenfeld (Die goldene Pest, GER 1954) mussten beim Dreh oft das Unmgögliche möglich werden lassen. Als vor geladenen Gästen eine noch stumme Fassung gezeigt wird, sind diese beigeistert. Doch eine moralisierende Erzählerstimme (Werner Hessenland) aus dem Off, welche die Filmhandlung durchgehend erläutert und mitunter sogar erklärt, - gegen den Widerstand Pewas' von Buchholz durchgesetzt - stößt bei der Kritik später auf Ablehnung. Das schließlich mit geringem Werbeetat ins Kino gebrachte Werk floppt. Für Buchholz und Pewas sind ihre Karrieren in der bundesdeutschen Filmindustrie damit beendet. Noch bis in die frühen 70er dreht Peter Pewas Kurzfilme, allesamt Dokumentationen. Auf den Internationalen Filmfestspielen in Berlin wird er 1981 mit einer speziellen Hommage geehrt und wiederentdeckt. Sein Film Noir Viele kamen vorbei ist bei weitem nicht perfekt, so irritiert etwa die Erzählerstimme noch heute. Zugleich bleibt er ein für die Zeit seiner Entstehung besonderes Werk, dessen (fast durchgehend) gute Darstellerleistungen und dessen grandiose Kameraarbeit in Schwarzweiß es klar hervorstechen lassen. Empfehlenswert!

 

Es gibt eine exzellent editierte deutsche DVD-Ausgabe (2017) der Fernsehjuwelen GmbH im Pappschuber. Sie beinhaltet das Werk ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch topp restauriert, dazu den original deutschen Ton, das Ganze ohne Untertitel, doch mit einem vierundzwanzigseitigen, von Fritz Tauber gestalteten Booklet samt Inhaltsangabe, Portraits von Crew und Darstellern, sowie mit einem 1981 geführten Interview mit Peter Pewas sowie mit reihenweise Standfotos als Extras. Eine exquisitite Edition für einen zu Unrecht vergessenen, bundesdeutschen Film Noir der 50er Jahre.

 


Film Noir | 1956 | International | Peter Pewas | Klaus von Rautenfeld | Alf Marholm

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